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Platypus organisiert Fora, Podiumsdiskussionen und Journalismus zum Zweck einer tiefergehenden Klärung linker Politik heute. Das Ziel ist nicht die polemische Intervention durch eigene Beiträge, sondern eine kritische Diskussion innerhalb der Linken herbeizuführen. Zur Verdeutlichung dieses Anliegens drucken wir im Nachfolgenden die Mission der Platypus Review, unserer monatlich erscheinenden Publikation.

Mission der Platypus Review

Überblickt man das Universum der verschiedenen Positionen und Ziele, die linke Politik heute ausmachen, so wird man den beunruhigenden Verdacht nicht los, dass sich hinter der scheinbaren Vielfalt eine grundlegende Gemeinsamkeit verbirgt: Was heute existiert, wurde auf den Trümmern dessen errichtet, was einst möglich war.

Zum Verständnis unserer Gegenwart erachten wir es für notwendig, die unüberschaubare Anhäufung von Positionen zu entwirren, um ihre Bedeutung für eine mögliche Rekonstitution emanzipatorischer Politik in der Gegenwart zu erkennen. Dafür ist es nötig zu überdenken, was eigentlich mit dem Begriff der Linken gemeint ist.

Unsere Aufgabe beginnt dort, wo wir eine grundsätzliche Desillusionierung des  gegenwärtigen Zustands progressiver Politik wahrnehmen. Wir denken, dass sich diese Ernüchterung nicht einfach durch puren Willen abschütteln lässt – durch ein einfaches „Weiter so!“. Sie muss stattdessen explizit angesprochen werden und selbst als ein Objekt der Kritik zugänglich gemacht werden. Daher beginnen wir mit dem, was uns unmittelbar entgegentritt.

Die Platypus Review wird von der Einsicht motiviert, dass die Linke orientierungslos ist. Wir möchten ein Forum für ein weites Spektrum an Strömungen und Ansätzen innerhalb der Linken bieten – nicht , weil wir Inklusion und Pluralität als Selbstzweck ansehen, sondern weil wir Uneinigkeit provozieren und gemeinsame Ziele als Orte der Auseinandersetzung eröffnen wollen. Auf diesem Weg könnten die aus den alten politischen Auseinandersetzungen resultierenden Anschuldigungen zum Zweck der Klärung des Objekts linker Kritik fruchtbar gemacht werden.

Die Platypus Review setzt sich zum Ziel, eine Plattform zu schaffen und zu erhalten, die eine Erforschung und Klärung von Positionen und Orientierungen, die heute innerhalb der Linken vertreten werden, möglich macht; einen Ort, an dem Fragen aufgeworfen und Diskussionen verfolgt werden können, die ansonsten nicht stattfinden würden. Solange die Beiträge eine ehrliche Bereitschaft für dieses Projekt zeigen, werden sie in unserer Diskussion berücksichtigt.

Mitte des 19. Jahrhunderts bemerkten Marx und Engels in einer berühmten Formulierung: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus." 160 Jahre später scheint der Marxismus selbst zu einem Gespenst geworden zu sein.

Es scheint, als hätte die Linke im 21. Jahrhundert den Marxismus als möglichen Weg zur Freiheit aufgegeben. Doch griff Marx vor allem in seiner eigenen Zeit ein, um seine Zeitgefährten zu ermuntern, die Gesellschaft zu verändern. Trägt die Linke diese Verantwortung heute wohl nicht mehr? Hat die Linke gar die Problematiken, die Marx aufwarf, beantwortet und ist fortgeschritten?

Ist der Marxismus ĂĽberhaupt noch relevant?

11.11.13, 20 Uhr, Antiquariat am Ballplatz Mainz, Am Ballplatz 5b, 55116 Mainz, Germany
Die Jahreszahl, die mir zur Diskussion vorgeschlagen wurde (1933), ruft sofort zwei Namen in Erinnerung: Roosevelt und Hitler - Reformismus oder Barbarei. Ich will diese Namen jedoch mit einem anderen Paar und einer anderen Jahreszahl verbinden. Die Jahreszahl lautet 1940. Die Namen lauten Trotzki und Benjamin.

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Das Aussterben der Linken ĂĽberleben.

Es gibt eine Erzählung über Karl Marx’ Mitstreiter und Freund Friedrich Engels, der in seiner Jugend, als ein guter Hegelianischer Idealist überzeugt von der sinnvollen, vernünftigen Evolution der Natur und der Rolle der menschlichen Vernunft in dieser, vom Schnabeltier (engl.: Platypus) las und ihn empört für eine Fälschung englischer Präparatoren hielt. Für Engels ergab das Schnabeltier keinerlei Sinn in der Naturgeschichte.

Als er einige Zeit später ein Schnabeltier in einem Englischen Tiergarten sah, war er verdrossen. Wie Marx war er ein guter Materialist und aufgeschlossen gegenüber Darwins Evolutionstheorie, welche den Menschen der Naturgeschichte entthronte, und er erkannte, dass „Vernunft“ in Geschichte und Naturgeschichte nicht notwendigerweise mit der vorherrschenden Ausprägung menschlicher Vernunft übereinstimmen muss.

Diese Parabel fanden wir hilfreich, um den Zustand nachzuvollziehen, in dem sich die Linke heutzutage befindet. In Anbetracht der Geschichte der Gegenwart könnten wir fragen: Welches Recht auf Existenz hat die Linke?

Jedes Recht – genauso wie das Schnabeltier, so schwer dieses auch zu kategorisieren ist!

Wir behaupten, dass vergangene und gegenwärtige Geschichte nicht die Zukunft festlegen muss. Die vergangenen und gegenwärtigen Niederlagen und Verluste der Linken sollten uns belehren und warnen, nicht zurückhalten und fesseln.

Zu unserer Befreiung verkünden wir also: die Linke ist tot. – Oder genauer, wir sind alles, was von ihr übrig geblieben ist.

Diese Aussage ist weniger faktisch zu verstehen, als absichtsvoll.

– Die Absicht, dass die Linke leben soll und die Einsicht, dass sie sich dafür überwinden muss. Und wir sind diese Überwindung!

Was aber sind wir dann?

Wir sind linke Theoretiker, die aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts eine Lehre und zugleich eine Warnung ziehen wollen – aber nicht durch diese terrorisiert sind! „Lasst die Toten die Toten begraben.“ Unsere Handlungen können ihr Leiden noch erlösen.

Nach misslungenen und verratenen Versuchen der Emanzipation und im Lichte ihres falschen Selbstverständnisses sind wir gewillt, uns diese Geschichte, im Dienste der Möglichkeit des Kampfes für Emanzipation in der Gegenwart – und in der Zukunft, wieder anzueignen.

Für einen solchen Zweck können wir (vielleicht provokativ) einige Namen auflisten, welche mit Gedanken, Problemen und Geschehnissen verbunden sind, die – (mit Benjamin gesprochen) Geschichte gegen den Strich gelesen – heute noch zu uns sprechen: Marx, Lenin, Luxemburg, Trotzki, Adorno. – Nicht viel mehr als das, was durch diese Persönlichkeiten repräsentiert wird, jedoch absolut nicht weniger.

Wir werden das einfache und falsche Verständnis dieser Namen überwinden, all das überkommene Wissen über die Gedanken und Handlungen, die mit ihnen identifiziert werden, um ihr mögliches kritisches Verständnis zu erlangen und unsere Absicht zu entwickeln.

In der Geschichte der Linken sind es die Jahre 1848 und 1917, weniger 1968, nicht 1989: das Nachwirken verworrener Siege und Niederlagen; vor allem aber die Einsichten, die durch Niederlagen hervorgebracht wurden, und das Verständnis der Gegenwart und der Geschichte als einer, die nicht so sein musste, für eine Zukunft, die nicht festgelegt ist.

Die unruhigen Geister von 1848 und 1917 werden, aufgrund der nicht verwirklichten Möglichkeiten, weiterhin einer unerlösten Zukunft zusprechen. Die Geschichte der Moderne ist noch nicht beendet, und sie kann nicht beendet werden, ohne ihre Versprechen eingelöst zu haben. Daher teilen wir nicht die (verlegene) Erschöpfung an der Moderne, sondern sehen ein gewisses Ausbleiben ihrer emanzipatorischen Umgestaltung, welche uns stets in ihrer Notwendigkeit verfolgt.

Wir sehen unsere Notwendigkeit.

Wir folgen dem jungen Marx in seiner „rücksichtslosen Kritik alles Bestehenden.“ Anders als Hegel in seinem Kampf gegen die romantische Verzweiflung nach 1789, sehen wir die Notwendigkeit unserer Gegenwart nur als „schlechte“. Unsere Gegenwart verdient keine Affirmation oder gar Respekt; wir sehen sie nur als das, was kam, nachdem die Linke zerstört wurde und sich selbst abschaffte.

Lasst uns so, mit der Geschichte von Engels und dem Schnabeltier, die unwahrscheinlichen aber nicht unmöglichen Aufgaben ansprechen – das Projekt der nächsten Linken.

Juni 2006