Hier findet ihr einen Audiomitschnitt zur Podiumsdiskussion "Was ist Sozialismus" vom 07.12.2017 in Frankfurt am Main.
Was ist Sozialismus? Internationale Sozialdemokratie
Diese Podiumsdiskussion will die Teilnehmenden dazu einladen, Ăźber die Geschichte der Sozialdemokratie aus linker Perspektive zu reflektieren. Nicht zuletzt richtet sich der Blick damit auf die sozialistische (Zweite) Internationale â als von Marxisten gefĂźhrte politische Organisation der sozialistischen Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den Vereinigten Staaten fand dies Ausdruck durch Eugene Debs, einem radikalen GewerkschaftsfĂźhrer, der während seiner Gefängnishaft durch die Schriften des deutschen Marxisten Karl Kautsky zum Marxisten wurde. In Deutschland war dies Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts KPD, die aus dem Widerstand des Spartakusbunds gegen die Kriegsbeteiligung des Deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg hervorging und in Russland ergriff bekanntermaĂen die bolschewistische Partei unter Lenins FĂźhrung die Staatsmacht. Demnach ermĂśglichte die Zweite Internationale, den wahrscheinlich grĂśĂten Versuch in unserer Geschichte die Welt zu verändern: die Revolutionen 1917-1919 in Russland, Deutschland, Ungarn und Italien. In diesen Revolutionen spalteten sich Kommunisten von Sozialdemokraten, während letztere das Bollwerk der Konterrevolution errichteten.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts setzte sich innerhalb der âradikalen Linkenâ ein âMarxistisch-Leninistischerâ Geschichtsnarrativ durch, welcher vom Fortschritt der Dritten gegenĂźber der Zweiten Internationale ausging. Demnach hatten sich die âRadikalenâ der Zweiten Internationale gegen die politisch weiter rechts agierenden Sozialdemokraten (wie Kautsky) durchgesetzt.
Unter dem Siegeszug des Faschismus in den 1930er Jahren aber schien die Spaltung zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie zur Nebensache geworden. Erst eine Generation später, nach dem 2. Weltkrieg, setzten sich die gleichen Sozialdemokratischen Parteien im Westen fĂźr weitreichende Reformen ein â nach wie vor in Opposition zum Kommunismus im Osten. Während einiger Jahrzehnte der âAnnäherungâ zwischen Ost und West, schien die frĂźhere revisionistische Geschichtsauffassung des evolutionären HinĂźbergleitens in den Sozialismus â im Gegensatz zur kommunistischen Revolution â sich als richtig erwiesen zu haben.
Die âNeue Linkeâ der 60er und 70er Jahre entstand aber gegen solch einen Reformismus, auf der Suche nach radikaleren Politikansätzen. Sie wähnte sich in der frĂźheren revolutionären Tradition stehend, wenngleich sie signifikante Veränderungen anzubieten hatte. Im Zeitalter des Neoliberalismus wurde diese Unterscheidung zwischen âReformâ und âRevolutionâ jedoch verwischt, wenn nicht sogar gänzlich unkenntlich gemacht. So befindet sich die Sozialdemokratie heute nicht mehr als in der Defensive gegen den Neoliberalismus, selbst wenn Phänomene wie SYRIZA, Podemos, Jeremy Corbyn und Bernie Sanders Versuche ihrer Wiederbelebung darstell(t)en.
MĂźssen wir uns also mit der frĂźheren Geschichte des Marxismus â vor der Spaltung von Kommunismus und Sozialdemokratieâ auseinandersetzen, um das Problem und das Projekt der Sozialdemokratie heute verstehen zu kĂśnnen? Wie sind die Fragen zwischen Sozialdemokratie und sozialer Revolution heute, in Anbetracht der Geschichte, noch verbunden? WofĂźr steht die Sozialdemokratie politisch?
Mit:
Christoph Spehr (Die Linke)
AndrĂŠ Leisewitz (Zeitschrift Marxistische Erneuerung)
Martin Veith (Institut fĂźr Syndikalismusforschung)
Hans-Gerd Ăfinger (International Marxist Tedency)
Lukas Schneider (Jusos Frankfurt)
Im 20.Jahrhundert tauchte immer wieder die Erinnerung an 1917 auf. Ob die Volksfront der 30er, die Kommunistische Revolution in China 1949 oder die Neue Linke der 60er, die Linke hat versucht, sich
Die historischen Wurzeln der Linken und des Marxismus liegen in den bßrgerlichen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts und deren Krise im 19. Jahrhundert. Mit diesem Lesekreis wollen wir versuchen, jenen geschichtlichen Hintergrund durch Lektßre der Texte von Marx und der radikalen bßrgerlichen Philosophie der Aufklärung, Rousseau, Kant, Hegel sowie Nietzsche, herauszuarbeiten.
Im 20. Jahrhundert bemĂźhten die Theoretiker der Frankfurter Schule, Marx und das politische Bewusstsein des Marxismus, kraft kritischer Reflexion, in seiner Relevanz lebendig zu erhalten. Durch Texte von Autoren wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Georg LukĂĄcs, Karl Korsch und Leszek KoĹakowski, soll versucht werden, das Problem des politischen Bewusstseins der Linken im 20. Jahrhundert, das bis heute prägend bleibt, in seinem historischen Kontext zu beleuchten.
Erste Sitzung: 18. Oktober
Alle Sitzungen finden Mittwochs von 18-21 Uhr im Raum 1.G 092 des PEG-Gebäudes am Campus Westend statt.
â˘Â vorausgesetzte Texte
+ zusätzliche Texte
Woche 1: Kapital in der Geschichte â 18.10.17
⢠epigraphs on modern history and freedom by Louis Menand (on Marx and Engels) and Karl Marx, on "becoming" (from the Grundrisse, 1857â58)
⢠Cutrone, âCapital in historyâ (2008) [voläufige Ăbersetzung auf deutsch]
â˘Â Cutrone, âThe Marxist hypothesisâ (2010)
+Â Capital in history timeline and chart of terms
+Â video of Communist University 2011 London presentation
+ Horkheimer, Der Kleine Mann und die Philosophie der Freiheit, aus Dämmerung (Dok. S.6)
Woche 2: Rousseau â 25.10.17
"Wer den Mut besitzt, einem Volke Einrichtungen zu geben, muĂ sich imstande fĂźhlen, gleichsam die menschliche Natur umzuwandeln, jedes Individuum, das fĂźr sich ein vollendetes und einzeln bestehendes Ganze ist, zu einem Teile eines grĂśĂeren Ganzen umzuschaffen, aus dem dieses Individuum gewissermaĂen erst Leben und Wesen erhält; die Beschaffenheit des Menschen zu seiner eigenen Kräftigung zu verändern und an die Stelle des leiblichen und unabhängigen Daseins, das wir alle von der Natur empfangen haben, ein nur teilweises und geistiges Dasein zu setzen. Kurz, er muĂ dem Menschen die ihm eigentĂźmlichen Kräfte nehmen, um ihn mit anderen auszustatten, die seiner Natur fremd sind und die er ohne den Beistand anderer nicht zu benutzen versteht".
â Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag (1762)
⢠Jean Jacques Rousseau, AuszĂźge aus Der Gesellschaftsvertrag (1762) (Erstes Buch: Kap. 5 â 9, Zweites Buch: Kap. 1 â 4)
⢠Rousseau, Abhandlung ßber den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1754)
+ Rainer Maria Rilke, âArchaischer Torso Apollosâ (1908)
+ Robert Pippin, âOn Critical Theoryâ (2004)
Woche 3: Kant und Constant â 01.11.17
⢠Immanuel Kant, âIdee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbĂźrgerlicher Absichtâ und âWas ist Aufklärung?â (1784)
⢠Benjamin Constant, âVon der Freiheit des Altertums, verglichen mit der Freiheit der Gegenwartâ (1819)
Woche 4: Das Leben in der Geschichte â 08.11.17
â˘Â Friedrich Nietzsche, âVom Nutzen und Nachteil der Historie fĂźr das Lebenâ (1874)
+Â Nietzsche on history chart of terms
Woche 5: Askese der Moderne â 15.11.17
+ Human, All Too Human: Nietzsche: Beyond Good and Evil (1999)
â˘Â Nietzsche, Auswahl aus On Truth and Lie in an Extra-Moral Sense (1873)
â˘Â Nietzsche Geneologie der Moral (1887)
Woche 6: Vorläufer der Frankfurter Schule - 22.11.17
â˘Â Wilhelm Reich, âIdeologie als materielle Gewaltâ aus "Massenpsychologie und Faschismus"1933/46)
â˘Â Siegfried Kracauer, âDas Ornament der Masseâ (1927)
+ Kracauer, âDie Photographieâ (1927)
Woche 7: Das Scheitern des Marxismus 29.11.17
â˘Â Max Horkheimer, AuszĂźge aus Dämmerung (1926â31)
â˘Â Adorno, âAusschweifungâ (1944â47) (GS4:297-300, Anhang in Minima Moralia)
Woche 8: Utopie und Kritik â 06.12.17
â˘Â Leszek Kolakowski, âDer Sinn des Begriffes âLinkeââ (1968)
⢠Karl Marx, Auszug aus den Anmerkungen zur Doktordissertation (1839â41) [MEW 40, S. 325 - 331]
â˘Â Marx, Brief von Marx an Arnold Ruge (September 1843)
Woche 9: Sozialismus â 13.12.17
â˘Â Marx, AuszĂźge aus Ăkonomisch-philosophische Manuskripte (1844): Die entfremdete Arbeit; Privateigentum und Kommunismus; BedĂźrfnis, Produktion und Arbeitsteilung (bis |XXI||, MEW 40:556 [exklusiv ||XXXIV|| Die Grundrente])
â˘Â Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (1848)
â˘Â Marx, Ansprache der ZentralbehĂśrde an den Bund vom März (1850)
+Â Commodity form chart of terms
Woche 10: Die Revolution von 1848 -Â 20.12.17
â˘Â Engels, Einleitung zu Karl Marxâ âKlassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850âł (1895))
â˘Â Marx, AuszĂźge aus Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 (1850) [Teil I] â˘Â Marx, AuszĂźge aus Der achtzehnte Brumaire des Louis Napoleon (1852) [Teil I und VII] â˘Â Marx, Brief an Joseph Weydemeyer (Brief vom 5. März 1852, MEW 28, S.503-509)
â˘Â Marx, Strikes und Arbeiterkoalitionen aus âDas Elend der Philosophieâ (1847, §5 im zweiten Kapitel)
--- Weihnachtspause
Woche 11: Bonapartismus â 10.01.18
â˘Â Marx, Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation (1864)
â˘Â Marx, AuszĂźge aus Der BĂźrgerkrieg in Frankreich [Teil III und IV] (1871, mit Engels Einleitung von 1891)
â˘Â Marx, Kritik des Gothaer Programms (1875)
â˘Â Marx, Einleitung zum Programm der franzĂśsischen Arbeiterpartei (1880) [Auf MEW 19, S.238 findet ihr die Einleitung und in den Anmerkungen (Nr.151) das Programm selbst, MEW 19, 570-71]
+ Karl Korsch, "The Marxism of the First International" (1924)
+ Korsch, Introduction to Marx, Critique of the Gotha Programme (1922)
Woche 12: Kritik der politischen Ăkonomie â 17.01.18
â˘Â Marx, AuszĂźge aus den Grundrissen(1857-1861)
â˘Â Marx, Kapital Bd. I, Kap. 1 Teil. 4 âDer Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnisâ (1867) [MEW Bd. 23, S.85-98]
+Â Commodity form chart of terms
Woche 13: Verdinglichung â 24.01.18
â˘Â Georg LukĂĄcs, âDas Phänomen der Verdinglichungâ (Teil I des Kapitels âDie Verdinglichung und das Bewusstsein des Proletariats,â Geschichte und Klassenbewusstsein (1923)
+Â Commodity form chart of terms
Woche 14: Klassenbewusstsein â 31.01.18
â˘Â LukĂĄcs, Vorwort von 1922, âWas ist orthodoxer Marxismus?â (1919), âKlassenbewusstseinâ (1920) in Geschichte und Klassenbewusstsein (1923)
+ Marx, Vorwort zu ersten Auflage des Kapitals (1867) und Nachwort zur zweiten Auflage (1873) des Kapitals
Woche 15: Das Ende der Philosophie â 07.02.18
â˘Â Korsch, âMarxismus und Philosophieâ (1923) [in der verlinkten Ausgabe S.84-160] + Marx, Thesen Ăźber Feuerbach (1845)
--- Beginn der vorlesungsfreien Zeit
Woche 16: Neo-Marxismus â 14.02.18
â˘Â Martin Nicolaus, âThe unknown Marxâ (1968)
⢠Moishe Postone, âNecessity, labor, and timeâ (1978)
+ Postone, âHistory and helplessness: Mass mobilization and contemporary forms of anticapitalismâ (2006)
+ Postone, âTheorizing the contemporary world: Brenner, Arrighi, Harveyâ (2006)
+ Adorno, "Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft"  (1968)
Woche 17: Gender und Sexualität â 21.02.18
â˘Â Juliet Mitchell, âFrauen â die längste Revolutionâ (1966)
⢠Clara Zetkin âErinnerungen an Leninâ (1920)
⢠Theodor W. Adorno, âSexualtabu und Recht heuteâ (1963)
⢠John DâEmilio, âCapitalism and gay identityâ (1983)