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Was waren die Antideutschen?

von Jan Kalk, Jan Sander, Justus WertmĂŒller und Detlef zum Winkel

Am 2. August 2024 veranstaltete die Platypus Affiliated Society eine Podiumsdiskussion mit Detlef zum Winkel (Autor), Justus WertmĂŒller (Redaktion Bahamas), Jan Sander (Platypus Affiliated Society) und Jan Kalk (Gesellschaft fĂŒr kritische Bildung) an der Humboldt-UniversitĂ€t zu Berlin zum Thema: Was waren die Antideutschen?

Es folgt ein editiertes und gekĂŒrztes Transkript der Veranstaltung, die unter https://www.youtube.com/watch?v=sPbT71IExIw vollstĂ€ndig angehört werden kann. Aufgrund der beschrĂ€nkten Zeichenzahl der deutschsprachigen Platypus Review in Print wird das Transkript dort in zwei Teilen veröffentlicht. Der erste Teil mit den Eingangsstatements und der anschließenden Antwortrunde der Diskutanten erscheint in der Ausgabe 34 (November/Dezember 2024) der deutschsprachigen Platypus Review. Der zweite Teil mit der Fragerunde erscheint in der Ausgabe 35 (Januar/Februar 2025) der deutschsprachigen Platypus Review.

Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum sind kursiv formatiert. Editorische Anmerkungen sind durch eckige Klammern gekennzeichnet. Zwischenrufe aus dem Publikum sind durch Kursivsetzung und eckige Klammern gekennzeichnet.

BESCHREIBUNG

Nachdem in den 80er-Jahren die sogenannten K-Gruppen zerfallen waren und Die GrĂŒnen sich als parlamentarische Partei etabliert hatten, wurde die Linke in der BRD und der DDR von der „Deutschen Wiedervereinigung“ 1989/90 ĂŒberrascht. Vor diesem Hintergrund erschien der Zusammenbruch der Sowjetunion und des „real existierenden Sozialismus“ auf eine spezifische Weise. Die deutsche Linke thematisierte die Gefahr eines möglichen ‚Vierten Reichs‘ und fragte, welche Bedeutung Begriffe der Alten und Neuen Linken in dieser Situation hatten: Kommunismus, Kapitalismus, Antifaschismus und Antiimperialismus. Retrospektiv betrachtet scheint „SolidaritĂ€t mit Israel“ als das einzige einheitlich kennzeichnende Merkmal dieser Bewegung, die sich lokal auf Deutschland und Österreich beschrĂ€nkte. Als die Platypus Affiliated Society im Oktober 2010 Joachim Bruhns „Kommunismus und Israel“ in englischer Sprache international publizierte, kam bei Lesern, die nicht aus Deutschland stammten die Frage auf: „Was hat das mit der Linken zu tun?“

Was war das VerhĂ€ltnis der Antideutschen zum Rest der deutschen Linken? Was waren wichtige politische Wendepunkte innerhalb der letzten 20 Jahre, durch die sich der Begriff „antideutsch“ entwickelt und verĂ€ndert hat? Was war die politische Situation in Deutschland und der Welt, als die Antideutschen entstanden? Was ist das politische Erbe der antideutschen Bewegung in den 2020ern, in Deutschland und international?

EINGANGSSTATEMENTS

Detlef zum Winkel: Die Antideutschen bildeten in der Bundesrepublik die einzige offen auftretende Opposition gegen die deutsche Einheit 1989/90. Der Grund war nicht etwa Frustration darĂŒber, dass sich der Kapitalismus ein weiteres mehr oder weniger sozialistisches Land einverleiben wĂŒrde. Nein, der Grund waren die nationalistischen Exzesse, die diesen Prozess von Anfang an begleiteten und sich von Woche zu Woche steigerten, weil niemand ihnen Einhalt gebot – keine Regierung, kein Parlament, kein PrĂ€sident, keine Justiz und keine Medien.

Die Ereignisse, die uns die Augen öffneten, lassen sich am Beispiel der Leipziger Montagsdemonstrationen am anschaulichsten beschreiben. Das waren anfangs demokratische Manifestationen. Sie forderten Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Redefreiheit, den Schutz der PrivatsphĂ€re vor staatlicher WillkĂŒr. Es war nicht nur sympathisch, es war irgendwie auch ĂŒberfĂ€llig fĂŒr die DDR. Etwas Neues, Hoffnungsvolles. Ein großer Fortschritt.

Die ErnĂŒchterung folgte prompt, quasi ĂŒber Nacht. Von einem Montag auf den nĂ€chsten Ă€nderte die Demonstration ihre Botschaft: Aus „Wir sind das Volk“ wurde „Wir sind ein Volk“. Dazu ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer, das es in den Wochen zuvor nicht gegeben hatte. Das PhĂ€nomen einer solchen ĂŒberraschenden Kehrtwende ist nicht völlig einzigartig auf der Welt. In Kiew, auf dem Maidan, ĂŒbernahm plötzlich der Rechte Sektor die Kontrolle. In Kairo, wĂ€hrend des Arabischen FrĂŒhlings, kaperten die MuslimbrĂŒder den besetzten Tahrir-Platz. Immer ohne AnkĂŒndigung, immer mit einem plötzlichen Coup.

Das Besondere in Leipzig lag darin, dass dieser Coup nicht diskutiert, ja nicht einmal als solcher wahrgenommen wurde. Niemand fragte: Wer war das? Wo kamen die ganzen Fahnen her? Sind wir unterwandert worden? Solche Fragen ließen die Initiatoren und Aktivisten von Leipzig gar nicht erst an sich heran. Darin liegt das Problem. „Wir sind ein Volk“ erschien daher als logische Fortsetzung des Vorherigen, als etwas, das alle eigentlich von Anfang an gemeint hatten: Das Volk. Ein Volk. Hauptsache Volk. Wer wird da kleinlich sein?

Aber fĂŒr uns war es eine völkische Wende, die eine Dynamik freisetzte, welche bis heute anhĂ€lt. Wenn man fĂŒr alle Probleme, die in der DDR erdrĂŒckend, aber auch in der Bundesrepublik vorhanden waren, eine nationale Lösung anbietet, dann merkt man schnell, dass sie sich auf diese Weise nicht bewĂ€ltigen lassen. Auch der Nationalist merkt das, aber er ist nicht imstande, seinen Irrtum einzugestehen. Im Gegenteil: Jetzt mĂŒssen Schuldige gesucht werden. Ein Feind muss her. Und sie finden sich dann bei denjenigen, die nicht zum Volk gehören: Migrantinnen und Migranten, die Multikultur, ominöse Drahtzieher von der Wall Street, die eine Umvolkung organisieren. Das lĂ€sst sich heute bei Höcke, Kubitschek, ElsĂ€sser, Sellner nachlesen oder eben gleich bei Adolf Hitler.

Einmal mehr bestĂ€tigte sich die AnfĂ€lligkeit des Volksbegriffs fĂŒr rechtes Denken und leider auch die AnfĂ€lligkeit des Volkes selbst. An diesem Punkt teilten sich die Wege der Linken. Die einen versuchten, weiter auf der Welle der friedlichen Revolution mitzureiten, obwohl diese ihre Richtung geĂ€ndert hatte. Die radikalen Linken hingegen verweigerten sich der Einheitseuphorie. Sie warnten vor einem Vierten Reich. „Das Scheitern des Sozialismus und der Zerfall der Sowjetunion förderten einen imperialistischen GrĂ¶ĂŸenwahn“, hieß es in einer auf dem ersten Kongress der radikalen Linken verabschiedeten Resolution. Die Bonner Regierenden wĂŒrden sich bereits als die Herren von morgen auffĂŒhren. Im RĂŒckblick finde ich das ziemlich treffend.

FĂŒr die Rechten in Ost und West konnten Gegner der Wiedervereinigung nur Gegner Deutschlands sein, also wurden wir von ihnen als antideutsch gebrandmarkt. Wohlgemerkt: von rechts. Ich weiß nicht, wer die Vokabel zuerst in den Ring geworfen hat. Wir selber waren es jedenfalls nicht. Aber wir nahmen den Titel an. Schön, dann sind wir eben antideutsch. Jeder wird schon verstehen, was gemeint ist. SpĂ€ter gab es ein paar Versuche, dem Begriff theoretische Weihen zu verleihen. Sowas kann eigentlich nur in die Irre fĂŒhren, wenn man seine Entstehungsgeschichte bedenkt.

Der nĂ€chste Meilenstein, der die Antideutschen prĂ€gen sollte – siehe Frage zwei – war der Golfkrieg 1990/91. Der Irak hatte das kleine, aber reiche Nachbarland Kuwait ĂŒberfallen und okkupiert. Dagegen initiierten die USA und Saudi-Arabien eine westliche MilitĂ€rkoalition. Der damalige PrĂ€sident des Iraks, Saddam Hussein, wollte in klassisch antisemitischer Manier Israel dafĂŒr bestrafen, wenn der Irak angegriffen werde. Einige palĂ€stinensische Organisationen brachten ihre Genugtuung darĂŒber zum Ausdruck. Inzwischen sind sie zum Iran ĂŒbergelaufen. Israel war an jenem Konflikt freilich gar nicht beteiligt. Konkret-Herausgeber Hermann Gremliza kommentierte: „In diesem Fall hĂ€tten die Falschen, nĂ€mlich die USA, mit unlauteren Absichten ausnahmsweise das Richtige getan.“ Andere Linke widersprachen heftig und deuteten den Krieg nach antiimperialistischen ErklĂ€rungsmustern. Hier gehe es doch nur um die weltweite Kontrolle des Ölhandels.

An dieser Auseinandersetzung zerfiel die radikale Linke, kaum dass sie sich gefunden hatte. Aber die verbleibenden Antideutschen lernten, den Staat Israel anders zu behandeln, als es zuvor ĂŒblich war, und sich fĂŒr sein Existenzrecht aktiv zu engagieren, anstatt es bei gelegentlichen alibihaften Lippenbekenntnissen zu belassen. Diese Einstellung haben wir bis heute beibehalten und das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der antisemitische Ressentiments in der nationalen und internationalen Linken immer stĂ€rker werden. Weil die Antideutschen mit dieser israelfreundlichen Haltung – andere sagen, mit dieser prozionistischen Einstellung – ein Alleinstellungsmerkmal in der Linken besitzen, mag es so scheinen, als ob von ihrem ursprĂŒnglichen Ansatz nur noch die IsraelsolidaritĂ€t ĂŒbrig geblieben sei.

Um diese These abzuwĂ€gen, möchte ich auf einen grandiosen Artikel verweisen, der im November 1982 in der New York Times und im Januar 1993 in Konkret auf Deutsch erschienen ist. Damit sollte sich dann auch die Frage vier beantworten. Angesichts rassistischer AufmĂ€rsche und Gewalttaten registrierte der Autor Abraham Rosenthal ein „Erstarken des Nazismus in Deutschland“, wobei er dafĂŒr plĂ€dierte, endlich mit dem Gerede von Neonazis oder Rechtsradikalen aufzuhören:

Sie und wir wissen ganz genau, wer sie sind. Und die Deutschen, die ihnen Beifall klatschen, wissen es auch. Die Angriffe auf AuslĂ€nder, besonders solche mit dunkler Hautfarbe, sind keine plötzlichen GewaltausbrĂŒche. Sie gehören ebenso zur Strategie der Nazis wie damals die ersten Angriffe auf die Juden.1

Weiter schrieb Rosenthal, dies fĂŒhre zu spiegelbildlich narzisstischen Bewegungen in Mittel- und Osteuropa: „So war es in den 30er- und 40er-Jahren, und so lĂ€sst es sich auch heute in Ungarn, RumĂ€nien, Russland und den BalkanlĂ€ndern beobachten.“2

Seit 2022 gehört eindeutig Russland auf Platz eins dieser Liste, und eine erschreckende Menge weiterer LĂ€nder mĂŒsste hinzugefĂŒgt werden: Polen, die Slowakei, Tschechien, Österreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Frankreich. Bei der Ukraine zögere ich allerdings, eher aus RĂŒcksichtnahme denn aus Überzeugung.

Schonungslos konstatierte Rosenthal: „Deutschlands Krise ist auch unsere Krise. Das haben wir von Hitler gelernt. Aber der Westen verharrt tatenlos. Die Initiative wird ausschließlich der deutschen Regierung ĂŒberlassen, und diese hat in der Abwehr der Bedrohung völlig versagt.“3 Ich darf wiederholen: völlig versagt! Das konnten scharfsinnige Beobachter vor mehr als 30 Jahren feststellen. Heute haben wir den Schlamassel.

Nun zur Pointe dieses Textes aus heutiger Sicht: Die Beschreibung der gesellschaftlichen PhĂ€nomene, die Rosenthal fĂŒr Deutschland so luzide vorgenommen hat, trifft im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auch auf sein eigenes Land zu. Das konnte er sich nicht vorstellen und niemand von uns konnte sich das vor 30 Jahren vorstellen. Am 5. November wird in den USA eine Wahl von historischer Tragweite stattfinden. Das Ergebnis wird entweder eine Unmenge Benzin in die nationalistischen BrĂ€nde der ganzen Welt schĂŒtten oder uns vielleicht eine Atempause verschaffen. Mir graut vor Leuten, die von der NSDAP lernen wollen, wie man Amerika wieder groß macht.

Die Krise der USA ist auch unsere Krise. Muss ich noch mehr ĂŒber das Erbe oder die AktualitĂ€t der Antideutschen sagen? Antideutsch ist fĂŒr mich konsequenter Antifaschismus, der sich auch von Appellen an die Volksgemeinschaft oder an die Nation nicht weichklopfen lĂ€sst. Auch das Umgekehrte gilt: Wie jede Antifa-Initiative erfĂ€hrt, wenn sie einmal einen wunden Punkt in ihrer Gemeinde aufgedeckt hat – zack, schon sind sie antideutsch.

Jan Kalk: Die Frage: „Was waren die Antideutschen?“, die vielleicht besser heißen könnte: „Wer waren die Antideutschen?“ – denn anders als ein „Gemenge von Einzelpersonen“ (Dahlmann) sind die Antideutschen nie gewesen –, wiederholt erneut das Postulat vom Tod der Bewegung.4 Dass dieser dieses Mal endgĂŒltig sein könnte, legte Jan Gerber in seinem Nachruf „Die Antideutschen“ in der jĂŒngsten Bahamas nahe: „SpĂ€testens nach dem palĂ€stinensischen Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 wurde [
] klar [
]: Die Bewegung, die nie eine Bewegung sein wollte, existiert nicht mehr.“5 Ein „Epitaph auf die antideutsche Bewegung“ wurde aber bereits 2010 von Lars Quadfasel auf einer „Konferenz zum Stand der Kritik“ mit dem Titel „Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie scheiße ist Deutschland?“ gehalten, also kurz nachdem ich ĂŒberhaupt mit der Szene in BerĂŒhrung gekommen bin. Im AnkĂŒndigungstext stellte man 20 Jahre nach dem Fall der Mauer fest, dass „antideutsch“ – auch durch Egotronic – schick geworden ist und nun Israelbuttons statt PalitĂŒcher das Bild der autonomen Szene bestimmen, die „kommunistische Kritik an Deutschland“ und damit auch die Frage, „Was deutsch ist“, hierbei aber in den Hintergrund getreten sind.6 Auch wenn der antideutschen Kritik als Fortsetzung der Kritischen Theorie nichts lieber sein kann als ihr ÜberflĂŒssigwerden, war man dennoch besorgt, dass die Kritik hier ihren Gegenstand verloren habe.

Thesen vom „deutsch-nationalen Taumel“, oder die Angst vor dem Entstehen eines „neue[n] deutsche[n] imperialistische[n] Koloß[es]“,7 wie sie 1990 von der radikalen Linken verlautet wurden, hatten sich blamiert, auch wenn derzeit Max Czolleck das „Demo-Memo“ der iz3w mit dem bekannten Spruch „Nie wieder Deutschland!“ bewirbt, um zu verdeutlichen, dass die AfD mit der Wiedervereinigung „wieder möglich geworden ist“.8 In Auseinandersetzung mit der antinationalen Linken kam die Frage nach dem Sonderweg Deutschlands wieder auf und entsprechend fragte man: „Haben wir es hier mit Aspekten nationalsozialistischer KontinuitĂ€ten im Postnazismus oder mit der allgemeinen Logik von Staat, Nation und Kapital, mithin keiner ‚deutschen Besonderheit‘, zu tun?“9

Sonja Witte, Clemens Nachtmann und Joachim Bruhn richteten sich in ihren BeitrĂ€gen wesentlich gegen diese Vorstellung eines Sonderwegs, der es erlaubte, zwischen den „allgemeinen Erkenntnissen der Kritik der Politischen Ökonomie“, die man sich beispielsweise in einem Kapitallesekreis angeeignet hatte, und dem sich dann noch dazu addierenden deutschen Wesen zu unterscheiden. Der wesentlich von Clemens Nachtmann geprĂ€gte Begriff des Postnazismus sollte die bundesdeutsche Gesellschaft mit „ihrer barbarischen GeschĂ€ftsgrundlage konfrontier[en]“, ohne ihren geschickten Wandel zu ĂŒbersehen und hierbei dafĂŒr sorgen, dass man der auf Faschisierungsdebatten folgenden Normalisierungsdiskussion oder dem Sektierertum entging.10

Die OriginalitĂ€t des antideutschen Materialismus, wie er vor allem von Joachim Bruhn, Clemens Nachtmann und Uli Krug formuliert wurde, besteht gerade in der Zuspitzung wie auch dem nahezu orthodoxen VerhĂ€ltnis zur marxschen Kritik und der an dieser anknĂŒpfenden kritischen Theorie. Er nimmt hierbei die Frage ernst, „wie die [
] in der Hoffnung auf die realen Möglichkeiten eines befreienden Geschichtsverlaufs hin durchgefĂŒhrte marxsche Kritik angesichts des im 20. Jahrhunderts erfolgten geschichtlichen Umschlags in die Barbarei ĂŒberhaupt noch möglich sei.“11

Im Wissen, dass man „nicht die Wahl hat, ob man Geschichtsphilosophie betreibt oder nicht, sondern nur die Wahl zwischen einer schlechten oder reflektierten Variante derselben“, wurden die marxschen Begriffe, seine Geschichts- und Revolutionstheorie mit der Gegenwart der postnazistischen VerhĂ€ltnisse und der ihr vorausgegangenen Geschichte konfrontiert.12 Hierbei konnte man sich neben den Schriften von Adorno und Horkheimer auch auf Wolfgang Pohrt beziehen, dem dieser Materialismus alles zu verdanken hat. Mit Pohrt sei an die marxsche Formulierung erinnert, nach der der SchlĂŒssel zur Anatomie des Affen die Anatomie des Menschen sei, dass folglich „der Ursprung und der Verlauf der Geschichte [
] immer durch ihr gegenwĂ€rtiges Resultat vermittelt“ sind.13

WĂ€hrend Marx folglich noch unter Annahme eines von ihm herbeisynthetisierten Proletariats seine Kritik der politischen Ökonomie als Einheit von Gesellschaftskritik und Revolutionstheorie formulieren konnte, ist diese nun zerfallen. RĂŒckblickend zeigt sich die von Marx angedeutete „Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise“,14 zu der Aktienkapital und Trusts fĂŒhrten, nicht als Vorbote der Befreiung, sondern der nationalsozialistischen Krisenlösung, von der Marx noch keinen Begriff haben konnte. Der Nationalsozialismus, der eine Krisenlösung versprach, ohne die gesellschaftliche Grundstruktur anzugreifen, etablierte die Volksgemeinschaft als – wie es Marcuse in seinem Liberalismus-Text formulierte – „klassenlose Gesellschaft auf Basis und im Rahmen der bestehenden Klassengesellschaft.“15 Oder wie es Joachim Bruhn formulierte, ist es die Massenvernichtung der europĂ€ischen Juden als „das kollektive und klassenĂŒbergreifende Geschichtsverbrechen, das den ‚Grundwiderspruch von Kapital und Arbeit definitiv zum systemimmanenten Motor der Akkumulation transformiert.“16 Mit der Abdichtung des Kapitals gegen seine revolutionĂ€re Aufhebung durch regressive Krisenlösung, die im antisemitischen Morden kulminierte, verschwindet auch die Vernunft aus der Geschichte. Auch wenn der antideutsche Materialismus durch die Hoffnung auf Befreiung geleitet ist, muss er eingestehen, dass dieser nichts in den VerhĂ€ltnissen entgegenkommt. Die in der Ecke stehende rote Fahne auf dem Cover des Konzept Materialismus der Initiative Sozialistisches ForumdrĂŒckt eben dies aus.17 Entsprechend sind es oft ZufĂ€lle, die noch radikale Kritik, trotz der sich gegen sie verhĂ€rteten VerhĂ€ltnisse, ermöglichen, oder wie es Clemens Nachtmann formulierte: Es ist

derjenige, der an der trĂŒgerischen Welt des schönen Scheins nur allzusehr hĂ€ngt, aber in dem Maße, wie er sich ins Unmittelbare versenkt, zwangslĂ€ufig die falsche Gesellschaft auftrifft und sich aus einer idiosynkratischen KrĂ€nkung, aus einer letztlich unbegrĂŒndbaren Entscheidung herausgefordert sieht, es mit der Gesellschaft aufzunehmen.18

Kritik wird hierbei zum Abwehrkampf, zum Eintritt fĂŒr die prekĂ€ren Formen bĂŒrgerlicher Vermittlung, die vom immer noch andauernden antibĂŒrgerlichen Kampf gegen den Liberalismus weiterhin angegriffen werden, und zum Eintreten fĂŒr Israel.

Damit richtet sie sich wesentlich gegen die gegenwĂ€rtigen Formen der „subjektiven Entsubjektivierung“19 und der „selbstdestruktiven Tendenzen der nachbĂŒrgerlichen Gesellschaft“, die mit dem Begriff des Postnazismus gefasst wurden. Dieser hat sich jedoch, worauf auch Clemens Nachtmann hinwies, universalisiert. Der gegenwĂ€rtige Post-Heideggerianismus der Postmoderne, „die postkoloniale Gegenrevolution gegen Israel“ und die Selbstaufgabe des Westens verdeutlichen, dass der Gegenstand der Kritik sich nahezu totalisiert hat.20

Justus WertmĂŒller: Am Samstag, dem 27. Juli 2024, haben sich zunĂ€chst in Neukölln und schließlich in Kreuzberg gut 8.000 Menschen an einer Demonstration beteiligt, die jedenfalls fĂŒr Deutschland ein Novum war. In der Nachfolge des Alternativen CSD-Tages nannte sich das Beginnen Internationalist Queer Pride Berlin und stellte sich im Zeichen der Melone hinter den „antikolonialen, antirassistischen, antikapitalistischen Freiheitskampf“ und bekrĂ€ftigte: „Niemand von uns ist frei, bis alle von uns frei sind“. Damit auch jeder weiß, worum es geht, prĂ€sentierten sie auf dem offiziellen Einladungsplakat unter den grĂŒn gezeichneten Melonenkernen – nein, die waren, glaube ich, braun – einen Melonenkern in grĂŒn und in den Umrissen Israels; das ist ein Straftatbestand.21 Bei den Teilnehmern war das PalĂ€stinensertuch omniprĂ€sent, mindestens jeder Vierte hatte eins dabei, die anderen hielten es mit Melonensymbolik.

Am frĂŒhen Abend des gleichen 27. Juli 2024, als sich diese Personen in Kreuzberg und Neukölln ans „Chillen“ machten, schlugen Raketen der Hisbollah auf dem Fußballplatz der von Drusen bewohnten israelischen Kleinstadt Madschdal Schams im Golan ein. Es starben 12 Kinder und Jugendliche. Zusammengefasst: Am 27. Juli 2024 fand nicht nur die grĂ¶ĂŸte offen antisemitische Demonstration in Deutschland nach 1945 statt. An diesem 27. Juli hat sich die deutsche Linke, nicht nur in Neukölln und Kreuzberg, sondern in toto, mit der Hisbollah solidarisiert und den intendierten Holocaust an israelischen BĂŒrgern teils billigend, teils mit Befriedigung aufgenommen. Wohlgemerkt: JubelpalĂ€stinenser arabischer oder tĂŒrkischer Herkunft waren auf der Demonstration nicht anzutreffen – war ja ein bisschen schwul und lesbisch, was? –, Linke aus westlichen LĂ€ndern waren ganz unter sich – ĂŒber 8.000 – in Berlin.

FĂŒr die Inhalte und Parolen solcher UmzĂŒge zeichnet lĂ€ngst der kalifornische Campus verantwortlich, der im Wesentlichen antiimperialistisch und schon deshalb zwingend antisemitisch inspiriert ist. Auch wenn die zahlreichen Expats am Samstag letzter Woche womöglich die Mehrheit der zur Demonstration Mobilisierten stellten – man hat sehr viel Englisch gehört –: Den am vergangenen Samstag zur Schau getragenen eliminatorischen Antisemitismus hĂ€tte jeder, aber vor allem jene, die sich links nennen, so laut es geht, zu denunzieren gehabt. Dieses und viele kleinere Ereignisse der letzten zehn Monate werden aber beschwiegen oder im Zeichen des „Rassismus“ genannten HauptĂŒbels, das man zu bekĂ€mpfen habe, kleingeredet. Die der Queer-Szene Verbundenen haben von Beginn an den Blutrausch der TĂ€ter vom 7. Oktober 2023 in aller Geilheit sich zu eigen gemacht, machten Massenmord zum Sportevent mit Paragliding und Motocross und vor allem: Sie schmelzen einfach dahin angesichts des verzĂŒckten Schimmerns in den Augen der meistens sehr jungen TĂ€ter dort und stellvertretend hier in den einschlĂ€gigen Kiezen der von Rassismus schwer betroffenen BrĂŒder – Erotik und Massenmord. Queer Pride ist der Ausdruck dessen, wozu die Linke sehr folgerichtig verkommen ist: Sie will den zweiten Holocaust und empfindet den 7. Oktober sehr körperlich – gar sinnlich – nach. Guckt sie euch an.

Wo linke Politik praktisch wurde, entstanden Killing Fields: in der Sowjetunion, in China, in Kambodscha, in Nordkorea. Und dort, wo angeblich das Volk sich im antikolonialen Kampf befreit hatte, waren die Massaker der Befreiung an der Tagesordnung: in Algerien, Pakistan, Nigeria, Kongo, Vietnam und so weiter. Antikolonialismus lehrte die Linke verstehen, dass nunmehr statt in Klassen- in Rassenkategorien zu denken sei, wie es in Sartres blutrĂŒnstigem Vorwort zu Frantz Fanons blutrĂŒnstigem Buch Die Verdammten dieser Erde von 1961 exemplarisch propagiert wird. So etwas wird heute noch zustimmend gelesen und nicht Ă€hnlich wie Mein Kampf. Der maßlose Anspruch, den Weltgeist zu reprĂ€sentieren und deshalb berufen zu sein, das Ziel der Geschichte zu vollstrecken, hat die revolutionĂ€re, radikale Linke nie losgelassen.

Die Blutspur dieses Beginnens setzte mit der Leugnung ein, dass Lenin und seine Leute schon deshalb eine Verbrecherbande waren, weil sie von Anfang an, 1917, auf den BĂŒrgerkrieg setzten, der den tödlichen Hass von tausend Jahren Knechtschaft freisetzte und schließlich die disziplinierteste und skrupelloseste Truppe im zugrunde gerichteten Land als Sieger zurĂŒcklassen wĂŒrde. Seit dem Roten Oktober ging es um die Eroberung der Macht im Staat, die Zentralisierung der Macht nach dem Sieg und die Etablierung einer Erziehungsdiktatur, die kein Entrinnen fĂŒr die ihr Unterworfenen mehr lassen sollte. Staatskritik, also die Mahnung, dass der Staat des Kapitals das VerhĂ€ngnis kapitalistischer Vergesellschaftung besiegeln könnte, war es nicht, was radikale Linke bewegte oder bewegt. Es war immer nackte, primitive Staatsfeindlichkeit, die sich, als die Hoffnungen auf einen proletarisch genannten Putsch sich endgĂŒltig zerschlagen hatten, aufs ZĂŒndeln verlegte und ideologisch darĂŒber wachte, dass da keiner ausschert und weiterhin wacht. Die Drecksarbeit machen die Dreckskerle zum Beispiel in den französischen Banlieues. Die zumeist akademisch gebildete Linke sichert ihnen ideologisch ein ruhiges Hinterland und nennt sie, diese antisemitischen Mörder, am Ende gar Opfer.

Außer den Postkolonialen, fĂŒr die die Queer Pride steht, gibt es gar keine Linke mehr. Die radikale Linke frĂŒherer Jahre ist an der Macht – ein paar Wandlungen in der Biographie waren locker zu machen –, und zwar nicht nur in der aktuellen Bundesregierung, sondern ĂŒberall dort, wo es gilt, zu verharmlosen, zu beschwichtigen und zu verĂ€ngstigen. Man will das eigene Scheitern bei der Einrichtung einer wenigstens keynesianischen Welt verschwinden lassen in peinlichen Erziehungsdoktrinen, gepaart mit Panikmache wegen des Klimas, der Bedrohung von rechts und eines dringend zu brechenden rassistischen Konsenses, der so lange behauptet wird, bis endlich mal ein paar Leute einsehen, dass es ihn eventuell gar nicht gibt.

Die Umerziehungslager in der staatskommunistischen Praxis sind aus den Köpfen nie ganz verschwunden, nur dass es heute nicht mehr den AnhĂ€ngern der besiegten Regime an den Kragen gehen soll, sondern ganz konsequent dem Teil der Bevölkerung, der sich immer noch jenseits des Staatssektors durchzubringen versucht und nicht so richtig mittun will. Diese Leute, die zu einem bedeutenden Teil der AfD und dem BĂŒndnis Sahra Wagenknecht zuneigen, stehen unter Generalverdacht. Sie, die hĂ€ufig pöbelhaft gegen die besonders an sie gerichtete Bevormundung auftreten, erfahren die Krise anders als das linke Staatspersonal – alle Linken hĂ€ngen am Staat, nicht nur in den Parlamenten und bei den GrĂŒnen –, von dem sie so verachtet werden. WĂ€hrend die einen, also die Linken, sich fĂŒr den ungebrochenen, schuldenfinanzierten Ausbau ihres Arbeitgebers, des Staates, stark machen und doch ahnen, dass ihnen die schmale Bezahlung, die sie mit ihren Coaching-Projekten zur StĂ€rkung der Demokratie noch einheimsen, schon bald wegbrechen könnte, imaginieren die anderen sich als radikale Systemgegner. Recht haben die Scheinrebellen von angeblich rechts nur dort, wo sie sich hineingezogen sehen in einen Strudel des Untergangs, unrecht dort, wo sie so tun, als ob sie einen anderen Staat herbeisehnten. Anders als ihre Feinde von links gerieren sie sich dort als Freunde des Untergangs, wo sie dem Staat abverlangen, er möge die Ukraine Russland opfern. Aber ganz genau wie ihre Feinde liefern sie, bei aller bei ihnen teilweise noch vorhandener Sympathie fĂŒr Israel – die gibt es da nĂ€mlich teilweise noch, bei Linken sicher nicht –, den jĂŒdischen Staat seinen Henkern aus, wenn sie darauf bestehen – und das tun sie alle –, dass Deutschland sich nicht in den jĂŒngsten Nahost-Konflikt hineinziehen lassen dĂŒrfe. Nur: Diese Aufgeregten sind die Einzigen, die auch aus gemachter Erfahrung benennen, was sonst unter Tabu steht: dass die Gesellschaft vor dem Bandenkrieg um Ehre und Beute der selbstredend rassistisch Verfolgten mindestens teilweise schon kapituliert hat.

Von der Idee einer selbstbewussten Nation halten die beiden so verfeindeten Teile dieser Gesellschaft nichts. Die beiden großen europĂ€ischen Nationen stehen vor dem ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenbruch. JD Vance, Lieblingsfeind der Deutschen, seit er Running Mate ist, sagte jĂŒngst:

Und ich habe darĂŒber gesprochen, welches das erste wirklich islamistische Land ist, das eine Atomwaffe bekommen wird. Und wir dachten, vielleicht ist es der Iran, vielleicht zĂ€hlt Pakistan schon irgendwie dazu. Und dann haben wir schließlich entschieden, dass es vielleicht tatsĂ€chlich Großbritannien ist, da Labour gerade die Regierung ĂŒbernommen hat.22

Und er hat recht, mit dem Unterschied, dass es unredlich wĂ€re, die Schuld fĂŒr die ungebremste Islamisierung in Großbritannien allein Labour zuzuschreiben – das sind schon alle.

Praktisch sollte es um die Nation gehen, und zwar um jene Vorstellung von der Nation, die einmal mit den Namen Großbritannien und Frankreich verbunden war und heute, wie bizarr auch immer, nur noch in den USA nicht gĂ€nzlich verschwunden ist. Zu fordern wĂ€re eine Gesellschaft, die in genau definierten Grenzen – Grenzen! – versucht, ihre Geschicke selbstbewusst zu meistern, die sich zu ihrem Schutz den staatlichen Rahmen gibt, der militĂ€risch fĂŒr die Sicherheit nach außen sorgt und – und! – ein Grenzregime unterhĂ€lt, um selber bestimmen zu können, wer hineinkommt und wer nicht. Dazu gehört, wo nötig, durchaus auch eine Politik der Strafzölle gegen die Okkupanten des Weltmarkts.

Die Nation ist im Zeichen der Krise genauso fragwĂŒrdig wie Zollgrenzen, sie könnte aber in Zeiten, in denen die feindliche Übernahme durch islamische Minderheiten bzw. die Unterwerfung unter das Diktat totalitĂ€rer MĂ€chte droht – Russland, China – das Schlimmste verhindern. Das verweist auf die Gegennation Israel, die ein Staatsvolk reprĂ€sentiert, das sich nach völkischen und religiösen Kriterien nicht definieren lĂ€sst und dennoch jĂŒdisch ist; die aus dem Unheil der revolutionĂ€ren Phase nach 1917 entstehen musste, wollte man als Jude ĂŒberleben; eine Nation schließlich, die eine Antwort auf das Scheitern der Revolution genauso wie des Nationalstaats in seiner Krise ist; mithin ist die Nation Israel auch der Leuchtturm fĂŒr etwas, das einmal auch anderswo sich etablieren könnte: eine befreite Nation.

Zur Hauptfrage: Was antideutsch ist, bestimmen die anderen. Auf die Bahamas bezogen wird man festhalten können, dass diese Zeitschrift als ein Unternehmen wahrgenommen wird, das nicht etwa differenzierte Kritik an „allen Formen des Antisemitismus und Ă€hnlicher gruppenbezogener Feindseligkeit“ leiste, sondern in nötigendem Ton zur bedingungslosen SolidaritĂ€t – ja, zur bedingungslosen SolidaritĂ€t – mit Israel aufrufe und weder ein deutsches noch europĂ€isches noch postkolonial begrĂŒndetes Recht auf Israelkritik anerkenne. Das trifft auch zu. Insofern war ich natĂŒrlich immer ein Antideutscher. FĂŒr Israel, statt nur allein als Zeitschrift, zusammen mit möglichst vielen anderen zu kĂ€mpfen – da wĂ€re ich gerne dabei. Aber nur unter der Bedingung, dass die Fellow Travelers des queeren Mordkommandos, die ihrerseits auf ihren Demo-Lappen „Gegen jeden Antisemitismus und Rassismus!“ schreiben, draußen bleiben.

Jan Sander: Ein Ausgangspunkt fĂŒr die antideutsche Kritik – Ă€hnlich wie bei der GrĂŒndung der Platypus Affiliated Society 2006 – war die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Imperialismus. WĂ€hrend die linke Opposition gegen den US-Imperialismus in den 60er- und 70er-Jahren zumindest noch als Parteinahme fĂŒr vermeintlich fortschrittlich-revolutionĂ€re KrĂ€fte in der Dritten Welt gemeint gewesen sein könnte oder es auch war, verband die Linke spĂ€ter, ab den 90er-Jahren, ihre Kritik mit einer mehr oder weniger unverhohlenen UnterstĂŒtzung reaktionĂ€rer KrĂ€fte.

Was die Antideutschen jedoch trotzdem weiterhin mit der gesellschaftlichen Linken verband, waren nicht die allgemein bekannten – und jetzt wiederholten – positiven programmatischen Forderungen jener Strömung – also UnterstĂŒtzung fĂŒr Israel, Kampf gegen Antisemitismus, gegen Islamismus, you name it – sondern negativ: die Kritik an dieser Linken.

Durch Kritik knĂŒpften die Antideutschen tatsĂ€chlich an das wesentliche, oft vergessene Merkmal des Marxismus an: Karl Marx‘ Diktum von der „rĂŒcksichtslosen Kritik alles Bestehenden“ galt entgegen der gĂ€ngigen gegenwĂ€rtigen Interpretationen keinem Ă€ußeren Gegenstand, nicht einem subjektlosen Systemkapitalismus, sondern maßgeblich der Linken und Arbeiterbewegung als Subjekt und Objekt des gesellschaftlichen Prozesses.

Die Antideutschen gehörten zu den wenigen Teilnehmern der „post-politischen“ Linken der 80er- und 90er-Jahre, ebenso wie der Millennial Linken, die die Regression der Linken zumindest teilweise bemerkten. Aus diesem Grund interessierte sich das durchschnittliche Platypus-Mitglied wohl mehr fĂŒr sie, als, sagen wir, fĂŒr die Interventionistische Linke.

In der aktuellen Ausgabe der Bahamas erinnert Jan-Georg Gerber daran, dass es den Antideutschen ursprĂŒnglich darum gegangen sei, Fehler und IrrtĂŒmer der Linken aufzuarbeiten. Das Ziel sei die Neuformierung einer „nichtreformistischen, radikalen, antikapitalistischen, kommunistischen Linken“ gewesen. Auch wenn wir uns bei Platypus aus GrĂŒnden, die hier zu weit fĂŒhren wĂŒrden, anders ausdrĂŒcken wĂŒrden, sind die Ähnlichkeiten zwischen den Antideutschen und Platypus unĂŒbersehbar. Was also unterscheidet uns?

In dem Text von Gerber charakterisiert dieser die Antideutschen als Modernisierungsbewegung wider Willen.23 Doch das Gleiche könnte – vom Standpunkt der Gegenwart aus betrachtet – ĂŒber die gesamte Linke in der Geschichte gesagt werden. Kapitalismus reproduziert sich ideologisch durch Unzufriedenheit mit ihm und Protest gegen ihn. Schon die Losungen der Neuen Linken der Sechziger Jahre von damals wurden zur neoliberalen Ideologie spĂ€ter. Zuvor fĂŒhrte die alte Linke der 20er- und 30er-Jahre durch ihr politisches Versagen und ihre ideologische Anbiederung an Arbeits- und Nationalethos in die Deutsche Arbeitsfront und den Holocaust. Die konkrete Gestalt dieser Geschichte mag in diesem spezifischen Fall deutsch sein, das hintergrĂŒndige Problem der Wiederholung hingegen ist spezifisch modern.

In seinem kurzen Essay mit dem Titel „A Short History of Nonbeing“ beschĂ€ftigt sich der amerikanische Hegelianer Robert B. Pippin mit diesem merkwĂŒrdigen PhĂ€nomen. Auch wenn der Text sich mit Philosophie und Kunst befasst, kann er helfen, die Sackgasse der Gegenwart ebenso wie die Thematik der Antideutschen zu erhellen. Außerdem ist er wesentlich prĂ€gnanter als die Negative Dialektik, auf der er wesentlich fußt.

Aus Sicht von Pippin stecken Philosophie und Kunst in einer Sackgasse: PhĂ€nomene, wie die immer wiederkehrende Diagnose des Todes der Kunst, Romane, in denen es wie schon bei französischen Novellen des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen um bĂŒrgerlichen Selbsthass geht, und die Postmoderne in der Philosophie, die sich selbst zwar als großen Bruch feiert, dabei jedoch halbwegs unbewusst die Krise der Philosophie zur Zeit des Auseinanderbrechens der Hegelschule in den 1840er-Jahren auf verzerrte und bombastische Art wiederholt, verweisen auf eine bestimmte Pathologie der Gegenwart. Die Fragen und Probleme der letzten 150 Jahre bleiben wesentlich die gleichen, wĂ€hrend sich unsere FĂ€higkeiten verschlechtern, diese zu beantworten oder gar adĂ€quat zu erkennen. Einen Ausweg aus den alten KalamitĂ€ten bieten die neuen geistigen Produkte nicht, stattdessen vernebeln sie allerdings immer weiter den Zugang zum Bewusstsein der Kernproblematik. Pippin schreibt dazu:

Es gibt einen historischen Preis fĂŒr die VernachlĂ€ssigung, die Nicht-Beachtung oder die fehlende Lösung dieses kritischen Kernproblems: die Wiederholung. Im Wesentlichen besteht der Preis in der ziemlich rĂ€tselhaften Wiederholung – inzwischen ĂŒber mehrere Generationen hinweg – einer Reihe von ursprĂŒnglichen Momenten des ZurĂŒckschreckens, der Abscheu und der Entfremdung unter den GrĂŒndungsformationen der Moderne.24

Pippin zufolge verkennt die gegenwĂ€rtige Kritische Theorie, die dem Namen nach das Erbe der Frankfurter Schule antritt, wie weit die geschichtlichen Konflikte, die erstmals in den 1840er-Jahren bemerkt wurden, in die Gegenwart reichen. Kritische Theorie heute sei deshalb „unzureichend kritisch“.

Obwohl Pippin sich dessen nicht vollauf bewusst zu sein scheint, ist eben diese Problematik der Gegenstand dessen, was Theodor W. Adorno Regression nennt. In ihrem Zentrum steht bei Adorno die politische Linke. Die Erschöpfung und unterschwellige Verzweiflung der heutigen „Linken“ lĂ€sst sich ihm zufolge darauf zurĂŒckfĂŒhren, dass sie sich in einem Gewirr scheinbar unlösbarer Probleme verloren hat, die sich seit der Zeit von Marx angehĂ€uft haben. Keines der Probleme, die in der Geschichte der vorangegangenen Generationen der Linken seit der Ersten und Zweiten Internationale aufgehĂ€uft wurden, konnte erfolgreich bewĂ€ltigt werden. Alle belasten uns weiterhin.

Diese Geschichte als â€žĂŒberholt“ abzutun, wĂŒrde zur Folge haben, dass die Probleme spĂ€ter in potenzierter Form wiederkehren – auf der sogenannten Linken ebenso wie gesamtgesellschaftlich. Die regressive Wiederholung des Todes der Linken ist nicht auf die letzten 30 Jahre beschrĂ€nkt. Weder die Kids noch die Linke waren vor dem Bestehen der Antideutschen, den 90er-Jahren oder den Jahrzehnten davor alright.

In den sogenannten „KĂŒchengesprĂ€chen“ formuliert Max Horkheimer gegenĂŒber Adorno folgenden Gedanken:

Ich glaube, dass die europÀisch-amerikanische Zivilisation das Höchste ist, was die Geschichte bis jetzt hervorgebracht hat an Wohlergehen und Gerechtigkeit. Es kommt darauf an, dass das in einem höheren Zustand bewahrt wird. Das ist aber nur möglich, wenn man gegen diese Zivilisation selbst unnachsichtig ist.

Daraufhin erwidert Adorno zustimmend:

Man darf nicht zur Verteidigung der westlichen Welt aufrufen.

Horkheimer ergÀnzt:

Man darf nicht dazu aufrufen, weil man sie damit kaputt machen wĂŒrde.25

Obwohl Horkheimer und Adorno die Notwendigkeit erkannten, zu einer neuen „sozialistischen Partei“ aufzurufen – wie sie in den „KĂŒchengesprĂ€chen“ diskutieren – und das Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx „[s]treng leninistisch“ neu zu formulieren, erkannten sie auch, dass die notwendigen Vorbedingungen fĂŒr eine solche Praxis nicht erfĂŒllt waren. Schon zu ihrer Zeit gab es keine Linke, die in der Lage wĂ€re, den Appell zu verstehen. Jeder Versuch, diese Antinomie des Politischen nach dem Scheitern der Linken zu ignorieren, wĂŒrde einer weiteren regressiven Wiederholung Vorschub leisten. Adorno und Horkheimer sahen es daher als ihre Aufgabe, die kritische Spannung aufrechtzuerhalten. Ihre Position sollte nicht als Relativismus missverstanden werden.

Platypus versucht an diese kritische Reflexion anzuschließen – mit notwendig antinomischem Resultat: Einerseits stellen wir fest, dass die Linke heute weder das „Recht noch die Pflicht“ hat, sich in internationalen oder selbst nationalen Konflikten zu positionieren. Eine wirkliche Linke, die Forderungen mit verantwortlichem Handeln selbst durchsetzen könnte, fehlt weltweit. Andererseits ist auch keine unpolitische Reflexion möglich. Mit anderen Worten: Die Fragen: Was mĂŒsste eine wirkliche Linke tun? Wie mĂŒsste sich die Linke verĂ€ndern, damit sie die Welt verĂ€ndern kann? Was sollte passieren, was nicht auch ohne eine Linke sowieso passiert? Und: Was mĂŒsste getan werden, um dem Ziel der Befreiung nĂ€her zu kommen? Diese Fragen mĂŒssen weiter gestellt werden, soll das auch von den Antideutschen ursprĂŒnglich geteilte Ziel einer Neuformierung einer, wir wĂŒrden anraten, marxistischen Linken gelingen.

Doch die von den Antideutschen gefundene schlechte Auflösung der Antinomie des Politischen in der Gegenwart betrĂŒgt den selbstgesetzten Anspruch. Statt etwa die Problematik des Imperialismus als Ausdruck einer tieferliegenden Sackgasse auch der eigenen linken Politik zu begreifen, sucht die antideutsche Kritik lediglich nach einem neuen Inhalt fĂŒr die alte Praxis. Damit versĂ€umt sie es auch, die Pseudopraxis der K-Gruppen zu ĂŒberwinden, die in den 70er-Jahren keinen unwesentlichen Anteil am Scheitern der Linken hatte. Formal betreiben Zeitschriften wie die Bahamas den Modus der maoistischen Propagandazirkel der 1970er-Jahre weiter. Lediglich die Setzung „Sag mir, wo du stehst?“ wurde inhaltlich anders beantwortet.

Jeder Terrorakt oder Krieg wird weiterhin als Anlass missbraucht, um die jeweils verhasstere Rechte zu diffamieren und fĂŒr die eigene pseudopolitische Position zu werben. Doch auch Kritik an Antisemiten, so sehr sie zutreffen mag, ĂŒberschreitet das moralische Urteil nicht. Unbedingt aber ist an der Einsicht Hegels festzuhalten, dass der moralische Standpunkt nicht an den Weltlauf heranreicht und notwendig fremden Zwecken zugutekommen muss, die auf der Höhe der Politik operieren – die Linke tut es nĂ€mlich nicht. Mit dem Abgleiten ins moralisierende und tendenziell manichĂ€ische Denken, gehen die Antideutschen, vielleicht gewollt, dem Risiko der Politik als „Kunst des Möglichen“ von vornherein aus dem Weg. Damit geben sie jedoch, falls sie ĂŒberhaupt eine Wirkung entfalten, RĂŒckendeckung fĂŒr das, was auch ohne sie und ohne eine Linke passieren wĂŒrde: regressive Wiederholung.

ANTWORTRUNDE

DzW: Es fĂ€llt mir nicht leicht, Justus‘ Tour de Force angemessen zu beantworten. Sie war fĂŒr mich zum Teil wirr. Aus der Auseinandersetzung mit einer relativ kleinen, minoritĂ€ren Fraktion der Linken wurde sofort eine Auseinandersetzung ĂŒber die Linke, den Sozialismus und den Kommunismus insgesamt. Es ging um die Entstehung und Entwicklung sozialistischer Regime in China, Kambodscha, Russland, Vietnam, Mosambik, Angola usw. – es tut mir leid, ich habe diesen Regierungen nicht angehört und kann auf sie in dieser KĂŒrze nicht eingehen. Ich bin auch nicht bereit, diesen pauschalen Grabgesang einfach zu unterschreiben. Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass wir in einer Diskussion, die dem Thema Deutschland gilt, deutsche Spezifika aus den Augen verlieren.

[Die Podiumsdiskussion wird durch eine vorbeiziehende propalĂ€stinensische Demonstration fĂŒr einige Minuten unterbrochen]

Wenn wir bei einer Veranstaltung, die den deutschen VerhĂ€ltnissen gilt – wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben und welche Tendenzen sie aufweisen –, die Diskussion auf China, Kambodscha, Russland, Vietnam usw. verschieben, begehen wir den klassischen Fehler einer Projektion. Und genau das möchte ich nicht mitmachen. Ich finde es zwar schön, Justus, dass du dir Gedanken darĂŒber machst, wie ein Staat deiner Meinung nach aussehen mĂŒsste, wie man aus einem Nationsbegriff doch noch etwas Positives ziehen könnte und wie man die Grenzen richtig kontrolliert. Aber, es tut mir leid, das lese ich tĂ€glich in der FAZ, im Spiegel, in der Frankfurter Rundschau und sonst wo. Ich sehe nicht, was das spezifisch Neue an deinen sehr weisen VorschlĂ€gen ist.

Ich möchte gerne beim Thema Deutschland bleiben und noch ein paar Stichworte von den beiden Nachbarn hier aufnehmen, insbesondere den Punkt des Imperialismus. In der antideutschen Linken haben wir diesbezĂŒglich mehr oder weniger in klassischen Kategorien gedacht: Durch einen deutschen Sonderweg drohe ein Viertes Reich, da ein vereintes Deutschland einen Machtzuwachs und spezielle Netzwerke nach Ost-, Mittel- und SĂŒdosteuropa haben wĂŒrde. Dem hat die Regierung Kohl in den 90er-Jahren jedoch einen Riegel vorgeschoben, indem sie tatsĂ€chlich auf die europĂ€ische Einigung, speziell durch eine gemeinsame WĂ€hrung, gesetzt hat. Daraufhin war die allgemeine Meinung, dass kein deutscher Sonderweg mehr drohe und die Gefahr eines imperialistischen Kolosses Deutschland vom Tisch sei. Das war ein Fehler, denn das Gegenteil ist der Fall: Gerade durch diesen Schritt ist es Deutschland gelungen, in Europa das Kommando zu ĂŒbernehmen. Anfang der 90er-Jahre wĂ€re das noch nicht möglich gewesen, da es damals im Gegensatz zu heute neben Deutschland immerhin noch Großbritannien und Frankreich waren, die den Kurs der EU vorgaben. Insofern ist die These von einem Vierten Reich und dem deutschen Imperialismus nach wie vor aktuell.

Allerdings macht es keinen Sinn, in unseren Auseinandersetzungen an alten Schablonen festzuhalten. Man muss sich selbstverstĂ€ndlich damit auseinandersetzen, dass von Russland, China und in gewisser Weise auch vom Iran eine imperialistische Politik ausgeht, die das Weltgeschehen stĂ€rker prĂ€gt als die imperialistischen Bestrebungen von Frankreich oder Großbritannien. Die GrĂŒnde dafĂŒr liegen aber nicht in der von Marx und anderen beschriebenen Kapitalentwicklung, sondern im Einfluss- und Bedeutungsverlust sowie in den daraus entstehenden sozialen Problemen dieser Gesellschaften – mit Ausnahme von China –, die sich aggressiv dagegen zur Wehr setzen. Das wiederum ist eine Parallele zum deutschen Nazismus, was ich aber nicht weiter vertiefen will.

Bleiben wir also beim Thema Deutschland. Eine Abrechnung mit der Linken? Gut, das kann man machen, gehört aber nicht hierhin.

JK: Ich denke, dass man bei Deutschland bleiben kann. Diesen Schlenker muss man machen, da die radikale Linke sich mit dem weltweiten Imperialismus befassen wollte, bevor sie sich mit dem deutschen Imperialismus befasst hatte. Der Kommunistische Bund Westdeutschland hat tatsĂ€chlich Kambodscha besucht, was tödlich ausgegangen ist. Er hat dort das Heilversprechen fĂŒr mannigfaltige Probleme gesehen. Das Grundproblem scheint doch zu sein, dass die Linke einen universellen, einen revolutionĂ€ren Anspruch hat. Man kann Reformpolitik machen, aber man kommt mit den vielen einzelnen Problemen nicht zu Rande, weil man sie zum großen Ganzen vermittelt, und das ist eben entweder der Imperialismus oder der israelische Staat oder in der Regel beides.

Dass die Antideutschen dem Imperialismus anfangs feindlich gesinnt waren, ist irgendwann krisenhaft geworden. Du hattest gesagt, dass wir jetzt diese ganzen rechten Bewegungen haben, diese wÀren aber einzeln anzuschauen. Sie sind die Konsequenz eines deutschen Imperialismus und die Normalisierungs- oder Faschisierungs-Diskussion, die ich versucht habe nachzuzeichnen, spricht BÀnde: Die Wiedervereinigung, die die von dir beschriebenen Erscheinungen hatte, ist nicht gleichbedeutend mit einem Vierten Reich und wir können daraus keine Verbindungen zum Internationalen und zu Russland ziehen, wie du das gemacht hast.

Es sollte stattdessen um eine Kritik der Linken und die Frage gehen: Warum hat die Linke sich die ganze Zeit mit diesen Staaten und mit Mao beschĂ€ftigen mĂŒssen, wenn man doch in Westdeutschland saß? Das hat nichts damit zu tun, dass es angehĂ€ufte Probleme gibt, sondern dass man die NegativitĂ€t, in der man sich befindet, nicht aushalten kann: dass die marxsche Kritik der Politischen Ökonomie eine Lösung der Probleme verspricht, die in weite Ferne rĂŒckt, dass man aber gleichzeitig auch mit Reformismus nicht zufrieden sein kann. Daher kommen die ganzen Projektionen, die sich heute sehr wahnhaft in der postkolonialen Theorie ausdrĂŒcken.

Jetzt allerdings Schutzzölle vom Nationalstaat zu fordern, ist eine zu analysierende Krisenerscheinung, die auf das Problem eines fehlenden Liberalismus verweist. Wenn es in Frankreich keine liberalen Parteien mehr gibt und Juden entsprechend gezwungen werden, das Land zu verlassen, muss man sich ĂŒberlegen, wo liberale KrĂ€fte sind. Der liberale Nationalstaat ist heute völlig abwesend und vielleicht wĂ€re es die Aufgabe der gegenwĂ€rtigen Linken, sich fĂŒr Liberalismus einzusetzen.

JW: Detlef, Gegenstand dieser Veranstaltung ist, etwas ĂŒber die Antideutschen zu sagen und das durchaus aus dem Blickwinkel: Was heißt das fĂŒr die Linke? Das habe ich getan und von einer Blutspur gesprochen, die von Lenin bis hierher reicht.

Der BĂŒrgerkrieg ist ein Verbrechen der Bolschewiki, sie haben ihn losgetreten. Lenin hat das kurz davor noch in den „Juni-Thesen“ begrĂŒndet. Es ist ein unendliches Verbrechen, bei einem in Knechtung vor sich hin vegetierenden Volk, in dem der Hass brodelt, auf BĂŒrgerkrieg zu setzen, anstatt mit den Menschewiki zusammen irgendetwas jenseits des Zarismus zu schaffen, was möglich gewesen wĂ€re: Das ist ein gigantisches Verbrechen, das lange vor dem Stalinismus ĂŒber drei Millionen Menschen allein das Leben gekostet hat! Über dergleichen Abenteurereien sollte nachdenken, wer ĂŒberhaupt den Namen Lenins, dieses Bastards, in den Mund nimmt. Ich möchte damit nicht den Antikommunisten machen, versprochen! Ich erwarte aber, dass man dieses papierene, verstaubte, dogmatische Zeug auch mal wirklich goutiert – Lest das mal, das ist unertrĂ€glich: Dahinter steckt die Gewalt.

Zu den Antideutschen: Den eliminatorischen Antisemitismus, wie er gerade hier unten vorbeigezogen ist – na, was hat denn diese tolle Musik sekundiert? Da waren sie doch, die Holocaustfreunde, da war sie doch, die Melone, die PalĂ€stina-Fahne – interessiert hier auf dem Podium offensichtlich ĂŒberhaupt nicht. Ich habe vor vielen Jahren einen Artikel mit dem Titel „Es geht um Israel“ in der Bahamas geschrieben – ich publiziere aus guten GrĂŒnden nirgends anders mehr. Ich hatte gehofft, dass es wenigstens bei den Referenten hier auch so sein könnte, in der Zeit nach dem 7. Oktober – einen Scheißdreck, nichts ist, ja wovon redet ihr denn ĂŒberhaupt?

Und dann erzĂ€hlt man mir, ich wĂŒrde hier schlechte Politik machen, das wĂŒrde alles im Spiegel und sonst irgendwo stehen, wenn ich ĂŒber Dinge rede, die vielleicht einmal interessant dafĂŒr wĂ€ren, wie sich Leute zusammentun könnten: ausdrĂŒcklich jenseits der Linken, ausdrĂŒcklich jenseits des Antirassismus, jenseits der Postcolonial Studies, jenseits des Antiimperialismus. Das ist keine Frage der Vokabel, es muss etwas anderes her, das Leute, die mit sich und der Welt etwas Besseres vorhaben, zusammenbringen könnte – bitte nicht mit links.

JS: Meinst du das ernst mit Lenin?

JW: Unbedingt.

JS: Alles klar. Ich bin deshalb verwirrt, weil die Weiße Armee, die Lenin gegenĂŒberstand, das mitunter widerwĂ€rtigste, antisemitischste Pack war, das es ĂŒberhaupt gab. Die Alternative zur Diktatur des Proletariats – die dann gescheitert ist und in einer Konterrevolution in der Tat zu furchtbaren Verbrechen gefĂŒhrt hat – wĂ€re schon 1917 der faschistische Putsch von Kornilow gewesen. Die Bolschewiki haben mit einem der allerersten Dekrete ĂŒberhaupt, den militanten Schutz der jĂŒdischen Siedlungen durchgesetzt. Es ist auch vorgekommen, dass im BĂŒrgerkrieg Bataillone der Roten Armee an Pogromen teilgenommen haben – auch in jĂŒdischen Siedlungen –, dafĂŒr gab es harte Disziplinarmaßnahmen.

[Was ist mit Kronstadt?]

Das Manifest von Kronstadt ist hardcore antisemitisch. Es hat sowohl den Kapitalismus als auch die Bolschewiki mit den Juden identifiziert. Deshalb bin ich sehr verwundert ĂŒber diese Einlassung.

Der Antiimperialismus ist eine PrioritĂ€tensetzung, die einer Strategie entspringt, die in den 20er- und 30er-Jahren aus einer sehr fragwĂŒrdigen Setzung innerhalb der Komintern getroffen wurde. Die prinzipielle Ausrichtung, dass sich eine Linke gegen den Imperialismus richten mĂŒsste – damals ĂŒbrigens als temporĂ€res taktisches Manöver gedacht, nicht als Prinzip – ist fragwĂŒrdig. Ich glaube, dass gar keine politische Kraft existiert – ob sie jetzt links ist oder anders benannt werden sollte, wie Justus meinte –, die in der Lage wĂ€re, auf dem Level dieser Weltarena mitzuspielen. Israel braucht uns hier nicht, um sich zu verteidigen. Israel verteidigt sich selbst, hat die Israel Defense Forces (IDF), you name it. Es sind Sachen, die ohnehin passieren.

[Du willst einfach zugucken, ja?]

Mir bleibt nichts anderes ĂŒbrig. Alle, die versuchen, hier mit moralischer Erpressung zu argumentieren, spielen dasselbe Game wie die antiimperialistischen Linken, die mit Ă€hnlich fragwĂŒrdigen moralinsauren Argumenten versuchen, Leute auf die nĂ€chste Demo zu zwĂ€ngen. Ich halte es fĂŒr ĂŒberhaupt nicht sinnvoll, so zu tun, als wĂ€ren wir ein Player, der auf der Weltebene in der Form mitspielen könnte. Die Linke existiert nicht.

Ich möchte noch eine Sache zu Trump loswerden: Ich glaube, dass es wichtig ist, nicht darauf hereinzufallen, was große kapitalistische Parteien sich gegenseitig an den Kopf werfen. Die Aufgabe der Linken sollte sein, die Unterschiede, die von diesen Parteien natĂŒrlich gravierend ĂŒbertrieben werden, realistisch zu betrachten. In Amerika – um Gore Vidal zu zitieren – gibt es eine Partei mit zwei rechten FlĂŒgeln: Das ist die Partei des Eigentums. Trump ist mitnichten ein Faschist oder jemand, der dem Nationalsozialismus Ă€hnelt. Trump ist Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre selbst AnhĂ€nger der Demokratischen Partei gewesen. Die politischen Positionen bewegen sich auf Ă€hnlicher Ebene. Das ist nur ein weiteres Zeichen, wie sehr die Linke sich in das Sogfeld von Mainstream-Politik begeben hat. Dazu hat Justus auch schon etwas gesagt.

FRAGERUNDE

Ich habe eine VerstĂ€ndnisfrage an Detlef: Du hattest in deinem Beitrag darĂŒber gesprochen, dass der Irakkrieg der Wendepunkt war, der in der antideutschen Bewegung dazu gefĂŒhrt hat, dass das Existenzrecht Israels einer der Hauptpunkte wurde. Mir ist nicht klar, was genau das heißt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Antideutschen zu dem Zeitpunkt ihres Entstehens, wie du auch selber meintest, eine der letzten noch historisch bewussten Antworten auf die Regression der Linken waren. Wie ist es dann dazu gekommen, dass wir auf einmal nur noch ĂŒber das Existenzrecht Israels sprechen? Kannst du das ausfĂŒhren?

DzW: Ich habe das Ganze sehr kurz dargestellt. Erstens gab es den klassisch antisemitischen Reflex von Saddam Hussein, der als selbstverstĂ€ndlich vorausgesetzt hat, dass man Israel angreifen muss, wenn man in einen Konflikt mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten gerĂ€t. Zweitens verfĂŒgte der Irak zu dieser Zeit ĂŒber Massenvernichtungswaffen, insbesondere Chemiewaffen, die auch tatsĂ€chlich eingesetzt wurden, zum Beispiel gegen aufstĂ€ndische Kurden, was zu 5.000 toten Zivilisten fĂŒhrte. Diese Chemiewaffen wurden mithilfe von deutschen Ingenieuren und deutschen Firmen hergestellt. Saddam Hussein drohte damit, dieses mit deutscher Hilfe produzierte Giftgas gegen Israel einzusetzen – das konnte man nicht einfach als AlltĂ€glichkeit abtun. In Israel verteilte man ĂŒberall Gasmasken, die ironischerweise oft auch in Deutschland hergestellt wurden. Das brachte viele Israelis an den Rand des Wahnsinns: Sie fĂŒhlten sich von deutschem Giftgas bedroht und mussten sich mit deutschen Gasmasken schĂŒtzen. Das war der Hintergrund, vor dem die linke Debatte stattfand.

Die meisten Linken sagten damals: „Der Irak ist ein kleines Land, das seine Ressourcen verteidigt.“ Es war ihnen auch egal, dass der Irak Kuwait annektiert hatte. Hauptsache, es ging gegen die USA – die Supermacht, die den gesamten Ölhandel kontrollierte und die Preise diktierte. Daher waren viele Linke auf der Seite des Iraks. Diese Haltung findet sich leider heute noch in der Friedensbewegung und wird oft völlig zu Unrecht gegenĂŒber dem Iran angewendet. Denn wenn es so weitergeht, wird der Iran bald eine Atommacht sein.

JK: Wenn die Linke eine Daseinsberechtigung hĂ€tte, dann als Instanz, die der Vernunft verpflichtet ist. Diese Vernunft wĂŒrde moralisch dazu fĂŒhren, dass man sich Israel verpflichtet fĂŒhlt. Wenn die Linke das nicht tut, dann hat sie den Anspruch des Universalismus aufgegeben und ist eben keine Linke mehr – falls man den Begriff nach dem, was Justus gerade aufgezĂ€hlt hat, ĂŒberhaupt noch verwenden kann.

JW: Die hervorragenden Fehler oder tollen Sachen, die die Komintern oder weiß der Teufel irgendwann gemacht hat, sind zum Thema Antiimperialismus nicht wichtig. Antiimperialismus ist ein originĂ€res Produkt der Neuen Linken, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstand und auf die Kooperation mit den kĂ€mpfenden Völkern setzte – ob maoistisch oder wie auch immer. Antiimperialismus hat sich weit entfernt von leninistischen und sonstigen FragwĂŒrdigkeiten.

Damit hier nicht der Eindruck entsteht, es wĂ€re irgendetwas an den Bolschewiki zu retten. Erstens: Die Geschichte schreiben die Sieger. Die Bolschewiki haben es hervorragend verstanden, ihre Darstellung – auch durch Justizmorde ab den frĂŒhen 20er-Jahren – zu verbreiten. In Russland hat es kurz vor 1914 erhebliche linksliberale und sozialdemokratische KrĂ€fte gegeben, die nicht immer Schaum vor dem Mund hatten, sondern sogar gebildet waren. Es waren die Bolschewiki, die einen einigermaßen besseren Ausgang der Revolution 1905 durch ihre schwachsinnige Radikalisierung verhindert haben. Wer den BĂŒrgerkrieg angeht und wer systematisch auf Gorki statt Tschechow setzt, um es mal literarisch zu sagen – Tschechow war ein linksliberaler Reformer, und der Mann hatte Recht, er hasste die Radikalen –, wer auf die Bolschewiki statt auf die Menschewiki setzt und das hinterher auch noch begrĂŒndet, der wird natĂŒrlich nicht begreifen, dass das Hauptanliegen der Bolschewiki das Anzetteln eines BĂŒrgerkriegs war, in dem sich, wie gesagt, aus tausend Jahren Knechtung an jeder Ecke in diesem Land jede Sauerei geĂ€ußert hat. Diejenigen wegzutun, die berufen gewesen wĂ€ren, etwas Besseres zu tun – die Linksliberalen, die Sozialdemokraten, sehr, sehr viele Juden darunter: Das ist die Vorbereitung der Bolschewiki fĂŒr das Unheil, das sie angerichtet haben. Bitte lest das nach!

JS: Meine Kritik bezog sich nicht auf den Universalismus, sondern darauf, dass moralische Kategorien – und das ist eine Einsicht, auf die sich Marx und Hegel stĂŒtzen – nicht an den Weltlauf heranreichen. Die KomplexitĂ€t und WidersprĂŒchlichkeit der VerhĂ€ltnisse erlauben es nicht, die Welt einfach in Gut und Böse zu unterteilen: in fortschrittliche und nicht-völkische Staaten, die zu unterstĂŒtzen wĂ€ren, und solche, die es nicht sind. Es ist ein weltweites System, in dem verschiedene Rechte miteinander konkurrieren, eine Linke gibt es schlechterdings nicht. Ich halte es daher fĂŒr falsch, in diesen Konflikt der Rechten moralische Normen hineinzuinterpretieren, dieses Standpunkt-Denken weiterzufĂŒhren und sich auf eine Seite zu schlagen. Das fĂ€ngt an mit dem Wechselspiel von Islamismus und US-Imperialismus, was den Aufstieg der Hamas angeht. Es ist nicht einfach so zu deuten, dass sich die israelische Seite die ganze Zeit nur dem Wahren, Schönen, Guten verpflichtet hat. Es ist bekannt, dass die israelische Regierung ab den spĂ€ten 1970er-Jahren die VorgĂ€ngerorganisation der Hamas, die Muslimbruderschaft, und spĂ€ter auch die Hamas selbst, im internen FlĂŒgelkampf der PalĂ€stinenser gegen die Fatah gestĂŒtzt und damit ihren Aufstieg mitbegĂŒnstigt hat. Das heißt nicht, dass es da irgendeine Verschwörung gegeben habe, aber die Situation erlaubt einfach nicht, dass eine Linke sich plump auf die Seite irgendeiner Regierung schlagen könnte


JW: Auch nicht auf die israelische?

JS: Sie muss schon versuchen


JW: Auch nicht auf die israelische – ja, nein?

JS: Nein.

JW: Ok, Yalla Intifada, ich gehe.

[Justus WertmĂŒller verlĂ€sst das Podium]

JS: Wie gesagt, braucht die Linke ĂŒberhaupt gar keinen Standpunkt einzunehmen.

JW: [Aus dem Saal heraus] Wer hier sagt, man kann sich nicht auf eine Seite stellen, auch nicht auf die israelische, mit dem rede ich nicht – das ist aus, vorbei! Ich bin doch kein Leninist!

Moderator: Justus, wir hÀtten gerne, dass du noch weiter dabei bleibst.

JW: [Aus dem Saal heraus] Wer Israel nicht verteidigt, mit dem kann man nicht diskutieren.

[Justus WertmĂŒller verlĂ€sst den Saal]

Jan Sander, du hast gerade gesagt, dass wir uns als Linke nicht immer direkt auf eine Seite stellen sollen, sondern stattdessen beispielsweise erstmal analytisch checken sollten, was das mit uns zu tun hat, beispielsweise mit der Regression, mit dem Kapitalismus. Ich wĂŒrde grundsĂ€tzlich zustimmen, aber wie wĂŒrdest du dich zu dem Einwand Ă€ußern, dass Marx seiner Zeit durchaus Partei ergriffen hat – beispielsweise im Krieg Frankreichs gegen Preußen oder im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg. Marx hat die ganze Zeit Position dazu bezogen und den Leuten gleichzeitig auch erklĂ€rt, was das mit den VerhĂ€ltnissen zu tun hat. Könntest du diese generelle Abstention ausfĂŒhren: Nur weil Israel oder auch die Ukraine keine perfekten kommunistischen Weltrepubliken sind, können wir dort keine Partei ergreifen. Warum denkst du, dass es gerade jetzt zweckfĂŒhrend ist, das nicht zu tun?

JS: Der Unterschied ist, dass es damals eine Linke gab und diese Konflikte eine Rolle in der revolutionÀren Strategie gespielt haben. GegenwÀrtig gibt es einfach keine Linke, und in diesen internationalen Konflikten erscheint deswegen auch kein progressiver Beitrag zum Aufbau einer solchen Linken. Das ist eine unpolitische Position, die versucht, wie Marcuse Ende der 40er-Jahre einmal gesagt hat, das Potenzial darauf zu bewahren, tatsÀchlich irgendwann eine politische Position einnehmen zu können.

Jan Kalk, du hast vorhin gesagt, dass du dich einerseits einer orthodoxen marxistischen Politik und Kritik verpflichtet siehst, aber andererseits glaubst, dass man den Liberalismus verteidigen sollte. Marx‘ Punkt war, dass das Projekt einer selbstbewussten Nation, die den Wohlstand der Nationen durch Handel verwirklicht, in der Krise ist. Die liberalen Ideale sind fĂŒr Marx durch den Kapitalismus unterminiert worden, weswegen sie nur durch eine sozialistische Revolution verwirklicht werden können. Glaubst du, dass sich irgendetwas daran geĂ€ndert hat, dass man Liberalismus jetzt anders verteidigen kann, ohne dass man sich in WidersprĂŒche verwickelt?

JK: NatĂŒrlich setzt sich die marxsche Kritik der politischen Ökonomie mit liberalen Vorstellungen anhand von Smith und Ricardo auseinander. FĂŒr Marx war klar, dass deren politische Ökonomie und auch die Ideen des Deutschen Idealismus nur durch eine soziale Revolution verwirklicht werden können. Das ist natĂŒrlich nach wie vor nicht falsch. Das Problem ist aber, dass die soziale Revolution weder in der Geschichte noch aktuell in greifbarer NĂ€he war oder ist – erst recht nicht bei den Bolschewiki. Ich frage mich auch wirklich, was das fĂŒr eine Vorstellung von einer Linken sein soll, die zu Israel schweigt und sich fĂŒr linke Regierungen einsetzt, die es nicht gibt – möchte man sich fĂŒr Pol Pot, möchte man sich fĂŒr den Angriff Chinas auf Pol Pot einsetzen?

JS: Wer hat denn von linken Regierungen geredet?

JK: Du hattest gesagt, diese Regierungen sind rechts und deswegen möchtest du sie nicht unterstĂŒtzen. Möchtest du irgendwelche Linken in Israel unterstĂŒtzen?

JS: Die gibt es dort ja auch nicht.

DzW: NatĂŒrlich gibt es die!

JK: Du siehst also zu, wie Menschen abgeschlachtet werden, weil sie keine Linken sind? ZurĂŒck zur Frage: Der Liberalismus ist nur unter der Bedingung schĂŒtzenswert, dass man sich bewusst ist, dass es sich um Residuen handelt. Das ist ein schwieriger Abwehrkampf, gleichzeitig hat man nichts anderes, erst recht nicht nach der Erfahrung des Nationalsozialismus.

DzW: Ich bin nicht ganz mit Marx‘ berĂŒhmtem Satz einverstanden: „Die Philosophen haben die Welt nur interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verĂ€ndern.“ Ich denke, es ist genauso wichtig, die Welt zu deuten und zu interpretieren, um sie zu verstehen. Es ist aber nicht so, dass es keine Handlungsmöglichkeiten mehr gibt. Mit der Art von Schlagworten, Provokationen und Polemik, die das Thema verfehlen und Eklats produzieren, kommt man nicht weiter. Angesichts der großen Demonstrationen gegen die AfD sieht man, dass es eine enorme Bereitschaft gibt, sich gegen negative gesellschaftliche Entwicklungen zu engagieren und sie zu beeinflussen. Es ist Unsinn, diese Demonstranten einfach zu diffamieren und ihnen Antisemitismus oder Vorurteile gegenĂŒber Israel vorzuwerfen – das kann nur von jemandem kommen, der an solchen Demonstrationen nicht teilgenommen hat. Die Menschen warten darauf, dass man produktiv mitarbeitet, sei es bei „Omas gegen Rechts“ oder durch AktionsvorschlĂ€ge und Hilfestellungen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, uns an solchen Bewegungen zu beteiligen, nicht nur Ideologiekritik zu ĂŒben und selbst Ideologien zu produzieren. Wir mĂŒssen uns dort einklinken, wo es möglich ist, und etwas bewirken.

NatĂŒrlich gibt es in Israel eine starke linke und demokratische Opposition, die massiv demonstriert. Wenn man das hochrechnet und mit der Bevölkerungszahl vergleicht, sind das gewaltige Demonstrationen mit enormem Durchhaltevermögen. Das ist fĂŒr mich eine Orientierung und ich unterstĂŒtze sie auch finanziell.

JS: Ich frage mich, was fĂŒr eine Perspektive des Sozialismus damit gewonnen ist, wenn wir fĂŒr die Opposition oder gar fĂŒr die Regierung in Israel Partei ergreifen. Wie bereits angeschnitten, existiert die Linke nicht erst seit gestern, sondern hat schon eine ganz schöne Strecke hinter sich. Sie wiederholt sich in ihren Protest- und Aktionsformen, ohne dass sie der Lösung der Probleme, die sie aufgreift, wirklich nĂ€herkommt. An der Stelle muss es auch solche Leute geben, die den Finger in die Wunde legen und diese Frage aufwerfen. Da lasse ich mich nicht getreu dem Motto, fĂŒr irgendwen das Schild hochhalten zu mĂŒssen, erpressen.

Es gab gerade den Einwand gegen die Parteinahme, dass die IDF das schon mache und es uns da nicht braucht. In diesem GebĂ€ude der Humboldt-UniversitĂ€t gab es vor wenigen Monaten wilde antisemitische Schmierereien. Ein BĂŒro von jemandem, der als Antideutscher geoutet wurde, wurde mit dem Hamas-Blutdreieck beschmiert. Dieses Problem löst die IDF nicht. Justus WertmĂŒller trifft einen Punkt, wenn er auf die 8.000 BerufspalĂ€stinenser hinweist, die hier letzte Woche durchmarschiert sind und gegen die es keinen nennenswerten Protest gibt, den die emanzipatorische Linke auf die Beine stellen wĂŒrde – da nutzt die IDF auch nichts. Insofern kann ich auch WertmĂŒllers Empörung und seinen großen Abgang verstehen, auch wenn es gleichzeitig etwas peinlich ist, weil es eher der eigenen Gewissensberuhigung dient. Ich hĂ€tte es sinnvoller gefunden, das im Handgemenge auszudiskutieren.

Es geht nicht darum, zu schauen, ob ich irgendwo eine linke Bewegung aufbauen kann – was ist das fĂŒr eine alberne Frage? Du hast doch selbst 20 Mal gesagt, dass es die nicht gibt. Es gibt niemanden, auf den man sich beziehen kann. Die Frage ist im Grunde ganz einfach: Unter welchen VerhĂ€ltnissen – so hĂŒndisch und elend sie auch immer sein mögen – kann ich mir ein einigermaßen wĂŒrdiges und selbstbestimmtes Leben eher vorstellen? Dass wir an diesem Abend in freier Diskussion zusammensitzen und nicht in Sibirien oder in Xinjiang im Knast sitzen, sobald wir diese Positionen öffentlich Ă€ußern – das ist ein Unterschied in der Sache. Den sollte man sich nicht abmarken lassen, indem man sich in Äquidistanz begibt.

NatĂŒrlich ist die Parteinahme fĂŒr den Kommunismus eine moralische Sache. Es ist Blödsinn, das Gegenteil zu behaupten. Die Revolution soll sein und die VerhĂ€ltnisse, wie sie sind, sollen nicht sein. Das ist ein moralisches, normatives Urteil – ganz einfach.

JS: Du vergleichst Äpfel mit Birnen. In der einen Frage ging es darum, ob ich dazu aufrufen wĂŒrde, die israelische Regierung zu verteidigen. Das kann sie sehr gut selbst, dafĂŒr hat sie die IDF. Ob ich solidarisch bin, wenn Leute angegriffen oder deren BĂŒros angeschmiert werden, ist eine andere Frage. Das liegt in meinem Bereich und mein Verhalten – oder das meiner Gruppe – kann möglicherweise einen Unterschied machen. Es wĂŒrde eine ganz andere Diskussion erfordern als die abstrakte Diskussion, ob man fĂŒr oder gegen Israel ist, um hier einzugreifen. Dasselbe gilt fĂŒr eine Demonstration, wobei mir hier nicht klar ist, was du gegen diese Demonstrationen ausrichten möchtest.

Du hast Recht, dass es sich um einen Unterschied handelt, ob man in einem sibirischen Knast sitzt oder in Freiheit ist. Die Aufgabe einer Linken bleibt aus meiner Perspektive aber dieselbe. In beiden Situationen mĂŒsste es darum gehen, dass die Linke am Aufbau einer sozialistischen Partei mitwirkt und versucht, ihrem Ziel nĂ€her zu kommen.

Schade, dass der Adressat gegangen ist, aber ich habe zwei kurze, ziemlich blutrĂŒnstige Zitate vorbereitet:

Was bedeuten schon ein paar verlorene Menschenleben in ein oder zwei Jahrhunderten? Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen aufgefrischt werden. Das ist sein natĂŒrlicher DĂŒnger.

Und, von derselben Person:

My own affections have been deeply wounded by some of the martyrs to this cause, but rather than it should have failed, I would have seen half the earth desolated. Were there but an Adam & Eve left in every country, & left free, it would be better than as it now is.

Dieser blutrĂŒnstige Bastard, der das gesagt hat, ist Thomas Jefferson, einer der GrĂŒndervĂ€ter des Gemeinwesens, auf das sich Justus WertmĂŒller positiv bezieht, nĂ€mlich die Amerikanische Republik. Mit seiner ganzen Hysterie rund um haufenweise Leichenberge – die ganze Zivilisationsgeschichte – fĂ€llt er sogar hinter die Leute zurĂŒck, die einen blutigen Befreiungskrieg gefĂŒhrt haben. Life, Liberty and the Pursuit of Happiness – dafĂŒr hat es sich gelohnt.

Den Mythos, dass eine liberale Entwicklung in Russland möglich gewesen wĂ€re, hat der Historiker Leopold Haimson in seinem Paper „Problem of Social Stability in Urban Russia, 1905–1917“ bereits in den 60er-Jahren endgĂŒltig widerlegt. Kein Historiker nimmt die Fantasie ernst, dass man einen Konstitutionalismus im Zarenreich hĂ€tte aufbauen können.

Jan Sander, du hast mehrmals zu deiner Aussage Stellung beziehen mĂŒssen, dass du dich nicht vor den moralischen Karren spannen lassen möchtest. Ich werde trotzdem das GefĂŒhl nicht los, dass – obwohl ich gegen einen moralischen Approach bin – du eine Art Äquidistanz aufbaust, die das Spezifikum einer deutschen Linken mit ihrer spezifischen Vergangenheit irgendwie wegrasiert. Wir sind hier fast alle Nazienkel. Die Linke beschĂ€ftigt sich immer noch zu wenig mit dem Antisemitismus und mit der Frage, welche spezifische historische Verantwortung wir als deutsche Linke deswegen haben. Mir tut es wirklich weh, wenn wir hier so darĂŒber sprechen, als sei das „irgendwie frĂŒher“ und „mal ein kleiner Zivilisationsbruch“ gewesen. Das schwingt bei mir mit, wenn man darĂŒber hinwegsieht und sagt, man will sich nicht vor den moralischen Karren spannen. Wir haben diese spezifische Verantwortung. Ich kann aus keiner Perspektive sprechen, die die spezifische Vergangenheit meiner Großeltern und den dort begangenen Zivilisationsbruch nicht beachtet und die eine Äquidistanz zu dem herstellt, was gerade propalĂ€stinensische Seiten versuchen. DiesbezĂŒglich wĂ€re in der Diskussion mehr SensibilitĂ€t angebracht.

JS: Das sind wieder verschiedene Sachen. Das eine ist eine sehr spezifische linke Strategie, die, wie gesagt, aus den 20er- und 30er-Jahren kommt, wobei es darum geht, Unterschiede zwischen verschiedenen nationalen Regimen fĂŒr die politische Strategie auszumachen, die dann angeblich zum Sozialismus fĂŒhren soll. Diese Auseinandersetzungen haben die GegensĂ€tze zwischen einer antifaschistischen und einer antiimperialistischen Orientierung hervorgebracht. Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Umgruppierungen anhand der WechselfĂ€lle, in welchen der Kapitalismus diese Regime hervorgebracht hat. Die Strömung, aus der Justus kommt, war zuerst israelkritisch und hat sich dann umorientiert, aber das Grundschema dahinter – die Aufteilung in verschiedene LĂ€nder und verschiedene Regime, die es etwa zu bekĂ€mpfen oder zu unterstĂŒtzen gelte – affirmiert auf einer tieferen Ebene das weltweite System der Nationalstaaten, das den Kapitalismus stĂŒtzt. Dagegen bin ich.

Aus der Geschichte der deutschen Linken und der deutschen Vergangenheit den Schluss zu ziehen, dass in diese Konflikte eingegriffen werden muss, ist ein weit hergeholter Schluss. Man kann auch Adornos „Elemente des Antisemitismus“ lesen, ohne sich solchen Argumenten herzugeben. Aus deiner Argumentation ließen sich auch noch ganz andere Schlussfolgerungen ziehen. Aus meiner Perspektive nutzen die Antideutschen – genauso wie ihr antiimperialistischer Gegenpart –, jeden Terrorakt, jeden Krieg weltweit, um darzustellen, dass sie die konsequenten KĂ€mpfer gegen Antisemitismus oder, auf der anderen Seite, gegen koloniale oder imperiale Beherrschung sind. DarĂŒber versuchen sie, Support fĂŒr ihre Position zu generieren – das finde ich missbrĂ€uchlich.

In der Vorbereitung auf diese Podiumsdiskussion habe ich viele historische Podien aus den letzten 30 Jahren gehört und mir die ganze Zeit gedacht: Das gibt’s doch nicht, dass der Titel dieser Veranstaltung „Was waren die Antideutschen?“ lautet. Ihr habt alle drei in euren Eingangsstatements gesagt, dass da etwas schiefgelaufen ist. Jan Kalk, als du vor 10 Jahren durch die Antideutschen politisiert wurdest, stand – so habe ich dich verstanden – schon die Frage im Raum, ob das nicht eigentlich ĂŒberkommen ist. Jetzt sitzen wir hier, aber meinem GefĂŒhl nach hat sich nichts im SelbstverstĂ€ndnis geĂ€ndert. Könnt ihr in Bezug auf die letzten 30 Jahre darauf reflektieren, was ihr geschafft und was ihr nicht geschafft habt?

DzW: Dass die deutsche Einheit stattgefunden hat, kann den Eindruck erwecken, als hĂ€tten wir gar nichts bewirkt. Dass sie stattfinden wĂŒrde, war uns auch klar und war kein Anlass, unsere Anliegen zurĂŒckzuziehen, wir haben sie weiter vertreten. Dann kam der Golfkrieg. Wir haben dazugelernt. Auch wenn man gesehen hat, dass wir an der Geschichte nichts Ă€ndern können, haben wir an der Verfasstheit der Linken nichts geĂ€ndert. Die Dinge liefen, wie sie liefen – wir haben heute Abend mehrere anschauliche Beispiele dafĂŒr erlebt. Es ist auch nicht aufgegangen, mithilfe einer antideutschen Fraktionierung ein anderes Milieu zu schaffen, das zumindest anders miteinander umgeht und auf einem qualitativ höheren Niveau diskutiert als frĂŒher die K-Gruppen, die Trotzkisten usw. Dennoch hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren – ich kann es nicht genau erklĂ€ren – ergeben, dass das Gedankengut der Antideutschen in diese Gesellschaft eingesickert ist. Es ging den Antideutschen nie darum, eine Zwei- oder Drei-Prozent-Partei zu werden und einen SchriftfĂŒhrer zu wĂ€hlen, sondern darum, bestimmte Ideen zu platzieren.

Die Beispiele, die Justus genannt hat, sind nicht ganz falsch. Es gibt auch Leute, mit denen wir wirklich wenig zu tun haben, die sich auf einmal als antideutsch bezeichnen, weil sie das schick finden – aber das bedeutet, dass die ganze Sache nicht völlig wirkungslos geblieben ist.

Heute sitzt ihr als eine neue Generation von Linken hier und habt bestimmte Fragen und Erwartungen, die ich nicht erfĂŒllen kann. Ihr habt aber auch bestimmte Chancen: Ihr habt nicht das GepĂ€ck einer starken stalinistischen Linken; ihr habt auch nicht die Hypothek der Irrungen, die es bei den K-Gruppen gegeben hat (wobei sich Justus die Freiheit nahm, alles durcheinander zu mischen: Der Kommunistische Bund Westdeutschlands mit seinem Kambodscha-Besuch ist praktisch das Gleiche wie die antifaschistischen BemĂŒhungen des KB Nord – alles eine Blutspur. Das ist wirklich eine ideologische Auseinandersetzung, die uns nicht weiterbringt). Die Frage, ob es eine Linke gibt oder nicht, liegt in euren HĂ€nden. Ihr mĂŒsst nicht alles neu erfinden, aber ihr könnt vieles in den bestehenden Organisationen anders und besser machen, beispielsweise in den Gewerkschaften. Das ist natĂŒrlich eine Sisyphusaufgabe, aber ich habe es auch ĂŒberlebt. Es gibt außerdem immerhin die Linkspartei, die Sahra Wagenknecht verlassen hat und jetzt nach einer neuen Orientierung sucht, was nicht komplett uninteressant ist. Und es gibt auf Landes- und regionaler Ebene eine Menge von linken AnsĂ€tzen und Initiativen, die auf eure ErgĂ€nzung warten.

JK: Eine Bilanzziehung ist deswegen eine sehr merkwĂŒrdige Angelegenheit, weil der Gegenstand der Kritik weiterhin besteht. Gleichzeitig zeugt es von Hybris zu denken, dass eine antideutsche oder materialistische Gesellschaftskritik allzu viel verĂ€ndern könnte. Der einzige Erfolg besteht vielleicht darin, anderen Menschen in diesen VerhĂ€ltnissen ein paar Gedanken vermittelt zu haben, sich nicht komplett von dieser Gegenwart kaputt machen zu lassen und nicht in irgendwelche Wahnvorstellungen zu verfallen, man könnte sich durch die GrĂŒndung einer Partei von allem anderen fernhalten.

Könnte das Podium noch etwas zu diesen 8.000 BerufspalĂ€stinensern im Rahmen des teilweise als völkisch-nationalistisch wahrgenommenen Protests sagen, der sich geriert, als ob hier die Reaktion im linken Gewand auftritt? Man hat das GefĂŒhl, dass sich die Linke bei diesem Thema wegduckt und sich daran die HĂ€nde nicht schmutzig machen möchte.

JS: Was ist damit gewonnen, wenn ich dazu etwas sage? Was stellst du dir vor?

Das Thema hat mit den AnschlĂ€gen des 7. Oktobers 2023 zu tun und die Linke positioniert sich dazu antisemitisch. Das Thema wird weggewischt und wir hatten vor der TĂŒr hier auch eine Demonstration.

JS: Dieses Thema hatte Jan schon aufgeworfen. Dem liegt die Frage zu Grunde, ob die Linke ĂŒberhaupt ein Objekt der Kritik ist. Klar kann man den Leuten Antisemitismus attestieren – das wird wahrscheinlich stimmen, das habe ich auch schon erlebt. Aber was ist deine Vorstellung davon, wohin das Ganze fĂŒhren soll? Die Antideutschen gibt es auf der deutschen Linken schon seit 30 Jahren. Der Ausgangspunkt meines Eingangsstatements war eine Grabrede auf die Antideutschen: Dieses ganze Projekt ist mit Ach und Krach gescheitert. Damit stellt sich fĂŒr mich die Frage, ob wir ewig in dieser Wiederholung eines Todes der Linken nach dem anderen weiterleben wollen? Was wĂ€re notwendig, um ein Projekt zu schaffen, das ĂŒber diese ewige regressive Wiederholung hinausweisen wĂŒrde? Insofern wĂŒrde ich die Frage zurĂŒckgeben.

DzW: Ich bin der Meinung, dass diese – wie ich gelesen habe – feministische Demonstration dieser GrĂ¶ĂŸe einer ganz klaren Antwort bedarf. Da kann man nicht die HĂ€nde in den Schoß legen und sagen: „Das geht mich nichts an.“ Es waren wohl keine 8.000 Antisemitinnen und Antisemiten, sondern auch Leute, die meinen, aus humanitĂ€ren GrĂŒnden auf der Seite der PalĂ€stinenser zu sein. Dazu muss man eine klare Gegenposition formulieren, sich zusammensetzen – im Rahmen des AStAs oder anderen Netzwerken – und versuchen, wenigstens einen Großteil der Demonstrantinnen und Demonstranten zur Besinnung zu bringen.

JK: Die Linke sollte sich als erstes gegen so eine Versammlung richten – was soll eine Linke ĂŒberhaupt machen, wenn sie dem nicht etwas entgegensetzen kann? Als Antwort darauf eine Partei aufzubauen und irgendwelche Produktionsmittel zu vergesellschaften, ist angesichts dieser VerhĂ€ltnisse ein komisches Hobby.

Meine Frage bezieht sich auf die Verwirrung der Jugend in der Gegenwart. Es scheint nicht wirklich klar zu sein, ob man sich in einer Wiederholung der 30er- oder der 90er-Jahre befindet oder in einer Mischung aus beidem. Meinem VerstĂ€ndnis nach haben die Antideutschen in den 90er-Jahren versucht, einen Sinn aus der Geschichte der Linken zu machen und in diese Tradition zu treten, indem kritisch die 30er-Jahre hinterfragt wurden. Gleichzeitig haben sie mit der Anerkennung, dass die 90er-Jahre anders als die 30er-Jahre waren, den Weg nach vorne gewiesen. Woher kommt die Verwirrung, dass junge Leute nicht wirklich wissen, ob die neue NSDAP oder der Neonazismus der 90er-Jahre die große Bedrohung ist? Inwiefern war das antideutsche Projekt hilfreich, die 30er- und 90er-Jahre fĂŒr die Generation zu klĂ€ren, die heute vor euch sitzt? Und wie sollte von hier aus weiter gegangen werden?

DzW: Das ist keine einfache Frage und ich möchte darauf keine einfache Antwort geben. Das, was wir in den 90er-Jahren gemacht haben, war in gewissem Sinne der Versuch eines linken oder kommunistischen Beitrags zur Erinnerungskultur – das vergisst man, wenn man von der Blutspur redet –: die Erinnerung an die Fehler der Kommunistischen Internationale, an den Hitler-Stalin-Pakt, letztlich auch an die Ermordung Trotzkis. Diese Erinnerungskultur war damals auf der deutschen Linken so gut wie gar nicht vorhanden. Durch die Frage der Nation, die Kritik an dem, was bis dahin proletarischer Internationalismus genannt wurde, und die Notwendigkeit, das zu einem Antinationalismus weiterzuentwickeln, wurden eine Menge von Schwachpunkten der nicht nur deutschen, sondern internationalen kommunistischen Geschichte aufgearbeitet. Ich glaube, dass dieser Anstoß nicht ganz umsonst gewesen ist.

Eine Frage war, inwiefern die antideutsche Bewegung hilfreich war, um genau diesen Moment jetzt klÀren zu können?

DzW: Man muss sich nicht unter Wert verkaufen. Die antideutsche Bewegung war hilfreich, weil sie uns ermöglicht hat, die Entwicklung ein bisschen vorauszusehen. Deswegen haben wir eine gewisse AutoritĂ€t, wenn wir heute von Faschisierung reden, mit dem Finger auf Trump zeigen und darauf hinweisen, dass sich viele der amerikanischen Rechtsradikalen – beispielsweise die Turner-TagebĂŒcher – explizit auf den Nazismus beziehen. Irgendjemand muss das sagen und wir haben die LegitimitĂ€t dazu, ohne dass man uns gleich Antiamerikanismus vorwirft – obwohl Justus uns natĂŒrlich Antiamerikanismus vorwerfen wird, das ist klar.

JS: Ich wĂŒrde dir zumindest Feindlichkeit gegenĂŒber der Amerikanischen Revolution attestieren, wenn du Trump mit irgendwelchen deutschen Nationalsozialisten ĂŒber einen Kamm scherst. Die Demokraten schĂŒren diese Einstellung schon seit Langem. Seit Eisenhower ist jeder republikanische PrĂ€sidentschaftsanwĂ€rter als Faschist und jeder demokratische PrĂ€sidentschaftsanwĂ€rter als Sozialist tituliert worden. Beide ĂŒbertreiben und lĂŒgen offensichtlich. Um die VerhĂ€ltnisse zu verstehen, muss man schon ein bisschen mehr tun, als New York Times zu lesen und Clinton News Network zu schauen.

Ich finde es gut, dass jetzt doch noch jemand die Sache der Antideutschen vertritt. Ich bin der antideutschen Linken gegenĂŒber eigentlich sehr positiv eingestellt. Die Linie WertmĂŒller/ElsĂ€sser fand ich die Abart. Ich wĂŒrde den Veranstaltern anraten, das nĂ€chste Mal JĂŒrgen ElsĂ€sser einzuladen: Der bleibt nĂ€mlich, der geht nicht weg. Man sollte keine rechten Ideologen einladen, gegen solche Scheiße haben Antideutsche auch gekĂ€mpft. Wir in unserer autonomen Gruppe waren als Antideutsche erstmal gegen den deutschen Militarismus und den deutschen Nationalismus, nicht nur gegen Faschismus, sondern gegen Nationalismus. Dazu gehörte fĂŒr uns Lafontaine schon damals.

NatĂŒrlich muss es heißen: gegen jeden Antisemitismus. Und das heißt natĂŒrlich auch, sich nicht mit irgendwelchen KonterrevolutionĂ€ren aus Russland gemein zu machen, die gegen die Judas-Kommune gehetzt haben. Das ist ein typisches Topos der Antisemiten gewesen – die bolschewistische Weltverschwörung, die hier im Grunde in neuer Form von einem Ex-Antideutschen dargeboten wurde. Uns war von Anfang an klar: Deutschland denken heißt Auschwitz denken und Deutschland denken heißt auch wieder Kriege fĂŒhren. Dieser neue Militarismus, diese sogenannte Zeitenwende, ist nicht erst seit Putin da – im Gegenteil, wir haben die deutsche Friedensbewegung dafĂŒr kritisiert, dass sie deutschnational war. Es ist aber nun Zeit, gegen den heutigen deutschen EU-Militarismus vorzugehen, und zwar nicht mit der deutschen Friedensbewegung, die jetzt wieder aufsteht, sondern mit Gruppen wie Rheinmetall Entwaffnen, die erkannt haben, dass Krieg hier beginnt, die vor deutschen Konzernen protestieren und nicht irgendeine Geopolitik betreiben. Das ist auch eine Fortsetzung des antideutschen Kampfes.

Als Justus rausgegangen ist, musste ich natĂŒrlich an ein Adorno-Zitat denken: „Wer denkt, ist nicht wĂŒtend.“ Ich möchte keine ĂŒble Nachrede betreiben, sondern zum Ausdruck bringen, was ich zum Titel „Was waren die Antideutschen?“ sagen wĂŒrde: Das Scheitern der Antideutschen. Ich finde, dass Detlef es sich etwas zu einfach macht, wenn er sagt, dass ihr Kulturkritik betreiben oder Meinungen platzieren wolltet. Thomas Ebermann, ein Genosse von dir, sagt so etwas wie: „HĂ€tte ich gewusst, dass das alles nicht klappt, hĂ€tte ich nicht jahrelang Finanzberichte gelesen, sondern hĂ€tte mich dem Hedonismus hingegeben.“ Jan Gerber, der von beiden Jans zitiert wurde, sagt: „Wir wollten die Linke rekonstituieren, also eine kommunistische Linke.“ Ich befĂŒrchte, ich sehe bei vielen Ă€lteren Antideutschen, wie bei vielen Ă€lteren Leuten der Neuen Linken, eine Art spĂ€te Rationalisierung: „Wir wollten nur mehr Freiheiten, in Wohngemeinschaften leben, Frauenrechte usw.” Aber das stimmt nicht, sie waren Kommunisten und sie wollten eine Kritik herantragen. Gerber macht auch den Punkt, dass die Antideutschen Teil der neoliberalen Modernisierung waren. Da musste ich an ein Zitat von Helmut Kohl denken: „Die Deutschen mĂŒssen mehr Bescheidenheit lernen.“ Auch das drĂŒcken die Antideutschen leider aus. Deswegen die Frage – ohne falsche Bescheidenheit, wenn ihr eure ursprĂŒnglichen Ziele ernst nehmt –: Könnt ihr noch einmal versuchen, das Scheitern zu erklĂ€ren? Liegt es an zu viel Leninismus, worauf Jan Sander angesichts der K-Gruppen-KontinuitĂ€t hingewiesen hat? Oder liegt es an zu viel Antileninismus, an der Angst vor Partei und Masse, wie bei WertmĂŒller? Oder waren die Antideutschen von Grund auf zum Scheitern verurteilt? Die letzte Frage ist gerade auch an Jan Kalk gerichtet. Deine Aufgabe als Nachfolger der Antideutschen wĂ€re eine radikale Selbstkritik statt einer einfachen Nachbildung. Wo siehst du die Fehler?

JK: Ich habe diesen Punkt in meinem Eingangsstatement aufgenommen. Die radikale Zuspitzung des Materialismus ist damit konfrontiert, die befreite Gesellschaft zu wollen, aber sie aufgrund der VerhĂ€ltnisse nicht erreichen zu können. Mit diesem Punkt haben Leute, die mehr wollen, oft Probleme, und das sieht man im linken Alltag die ganze Zeit. Die Vorstellung, es gĂ€be aufgehĂ€ufte Probleme der Linken, aus denen man lernen mĂŒsse, ist sehr merkwĂŒrdig. Es klingt fĂŒr mich danach, als hĂ€tten wir nur konsequenter sein mĂŒssen, irgendjemand hĂ€tte keine Familie grĂŒnden und stattdessen den nĂ€chsten Artikel schreiben sollen oder die Leute hĂ€tten ein bisschen netter zueinander sein sollen – und dann wĂ€re alles gut gewesen. Wir leben in einer Gesellschaft des endlosen Endes des Kapitals, 150 Jahre Kommunistisches Manifest war ein Text der antideutschen Bewegung.26 Wenn man sich jetzt jedes Mal fragt: Warum hat es nicht geklappt mit dem Kommunismus? – dann macht man doch irgendetwas falsch.

[Warum macht man da etwas falsch?]

DzW: Dass Geschichte sich dialektisch entwickelt, ist eine Binsenweisheit. Nach den ersten Jahren der deutschen Einheit unter Kohl, die schlimm genug waren, kam die rot-grĂŒne Regierung. Es schienen andere Themen gesetzt und wer dann noch mit der Gefahr durch den Nationalismus anfing, wurde rasch isoliert oder konnte seine Thesen in irgendeiner linken Nische verbreiten. Gleichzeitig hat die rot-grĂŒne Regierung die Vokabel von den Heuschrecken in Gang gesetzt und der Antisemitismus ist den Umfragen nach zu urteilen enorm gewachsen. Er begab sich in das Kleid, Israel als Gefahr fĂŒr den Weltfrieden darzustellen – ein Stichwort von GĂŒnter Grass. So haben sich die Auseinandersetzungen verschoben. Von der Realisierung eines linken Großprojekts oder auch nur der Einheit der Linken waren wir doch immer wahnsinnig weit entfernt – ganz zu schweigen von einem neuen Programm oder einer neuen Massenbewegung. Wie Jan Kalk schon gesagt hat, kann man nicht erwarten, dass man zwei, drei gute Ideen hat und dann groß rauskommt – wer das will, ist bei der Linken falsch. Stattdessen muss man versuchen, die eigenen Überzeugungen von der RealitĂ€t mit der RealitĂ€t zu konfrontieren, notwendige Korrekturen vornehmen und dann zum richtigen Zeitpunkt wieder prĂ€sent sein. Ohne falsche Bescheidenheit wĂŒrde ich sagen, dass die Antideutschen nicht gĂ€nzlich ein Schlag ins Wasser gewesen sind. Sie waren ein Beitrag, heute die notwendige Abwehrfront gegen die weltweite Rechtsentwicklung zu formieren und neue Freunde dabei zu finden.

JS: Die Antideutschen waren einerseits zu sehr dem verhangen, was sie selbst als Leninismus verstanden, und haben die Praxis der 70er-Jahre mit anderem Inhalt fortgesetzt, also weiter ihr FĂ€hnchen auf der Landkarte gesetzt und zwischen vermeintlich progressiven, weil westlichen, und reaktionĂ€ren, weil islamistischen KrĂ€ften unterschieden, und anhand dieser Linien versucht, weiter ihre Polemik zu betreiben. Andererseits waren sie zu wenig leninistisch, weil sie, wie die Neue Linke insgesamt, das Ziel – den Aufbau einer sozialistischen Partei – aus den Augen verloren haben, um das so schematisch zu sagen.

Beide Jans haben in ihrem Eingangsstatement darĂŒber gesprochen, dass die Antideutschen angetreten sind, eine neue Linke zu rekonstituieren. Detlef hat gesagt, dass es schön ist, dass wir jetzt eine antifaschistische Bewegung haben und so viele Leute gegen die AfD auf die Straße gehen. Justus WertmĂŒller hat gesagt, dass die gesamte Linke am Staat hĂ€ngt. Hier vorne haben wir gehört, dass es keine Opposition oder eine Linke gibt, die in den queeren antisemitischen Mob intervenieren kann. Wo ist diese Linke nach 35 Jahren Antideutschen? Und, um es nochmal aufzugreifen: Was ist das Problem damit, sich nach einer Generation linken Aktivismus irgendwann zu fragen, wieso es mit dem Kommunismus nichts geworden ist?

JS: Ich habe bereits versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Was Justus meint, ist, dass große Teile der Antideutschen von damals in den Staat integriert sind, und offensichtlich ein ganz anderer Ton gegenĂŒber palĂ€stinensischen Demos herrscht. Da kann man sich auf die Schultern klopfen und sagen, dass die Polizei heute ein bisschen hĂ€rter zuhaut als in der Vergangenheit. Ich weiß nicht, ob das eine Errungenschaft ist. Aber das ist, denke ich, tatsĂ€chlich das Resultat. Jan Gerber hat in seinem Artikel absolut recht: Die Antideutschen sind eine Modernisierungsbewegung. Sie haben sie mit ihren kulturellen Einstellungen teilweise durchgesetzt, natĂŒrlich mit einem anderen Gewicht als vorherige Generationen der Linken, die wesentlich stĂ€rker waren. Wir erleben eine sukzessive Abnahme der Integration von Generationen von Linken in ideologische Staatsapparate.

DzW: Du hast gesagt, dass ein linkes Projekt geplant war, das es nicht gegeben hat. Woran lag es? Das drĂ€ngt mich in die Position, mir doch noch Erfolge aus den Fingern zu saugen, um nicht ganz nackt dazustehen. Darauf möchte ich möglichst verzichten. Es gibt ein paar Zeitschriften und Autorinnen und Autoren, die im Sinne der Antideutschen argumentieren und diese Argumente weiterentwickeln. Das gilt auch fĂŒr Österreich, was ich wichtig finde, da es dort einen Sender gibt, der einen weiteren Anschluss Österreichs an Deutschland platzieren will. Und auch innerhalb der Labour Party gibt es offenbar eine linke Fraktion, die in der Auseinandersetzung mit Corbyn tatsĂ€chlich auch die IsraelsolidaritĂ€t fĂŒr sich entdeckt hat und Ă€hnlich argumentiert wie wir. Das feiere ich als Erfolg, so winzig das ist.

JK: Warum funktioniert diese Revolution nicht, warum scheitert die Linke? Diese Frage ist das GrĂŒndungsmoment der Art von Materialismus, den ich hier, wie zu Recht gesagt wurde, nachgebildet habe, weil ich ihn richtig finde. Das Scheitern der Revolutionstheorie wurde in den grĂ¶ĂŸten Teilen der Linken einfach abgespalten und als individuelle Verfehlung verstanden. In diesem Materialismus ist aufgehoben, die Bedeutung des Scheiterns der Revolution fĂŒr die Theorie selbst ernst zu nehmen. Das mĂŒssen wir tun, anstatt Scheiternsstrukturen in der Geschichte zu verorten. Genau aus diesem Materialismus entspringt die SolidaritĂ€t mit Israel und der moralische Imperativ, sich heute vor jĂŒdisches Leben zu stellen.

Mir tat es weh zu sehen, dass Justus WertmĂŒller gegangen ist. Ich dachte mir: Er hat 30 Jahre lang versucht, die Linke zu verĂ€ndern, und er hĂ€lt es nicht aus, das Ergebnis zu sehen, das wir alle auch sind – er möchte dafĂŒr keine Verantwortung ĂŒbernehmen. Detlef, du sitzt noch hier und hĂ€ltst es irgendwie noch mit uns aus. Du hast den Sisyphus-Stein an uns weitergegeben. Jan Kalk, du hast in deinem Eingangsstatement gesagt, dass die AfD mit der Wiedervereinigung möglich geworden ist. Die Antideutschen haben versucht, in die Wiedervereinigung zu intervenieren. HĂ€tten die Antideutschen nicht eigentlich die AfD verhindern mĂŒssen? Mir ist noch nicht ganz klar, ob du dich heute noch als Antideutschen bezeichnen möchtest. Warum wĂŒrdest du heute noch Leute motivieren wollen, antideutsch zu sein? Jan Sander, du wiederum hast vielen Leuten im Raum Kopfschmerzen damit bereitet, dass du einen Horizont aufmachen wolltest von: Die Linke war mal etwas anderes, und Politik als Kunst des Möglichen scheint heute fĂŒr viele nur noch in Form von Israel möglich zu sein. Bruhn hat damals gesagt: Israel und der Kommunismus. Du möchtest Leute, glaube ich, nicht dazu bewegen, heute noch antideutsch zu sein. Möchtest du Leute noch dazu bewegen, Kommunisten zu sein?

JK: Der Begriff „antideutsch“ ist immer eher eine Fremdzuschreibung gewesen, die man vielleicht nicht abgewiesen hat, weil sie nicht das Schlechteste ausgedrĂŒckt hat. Dennoch wĂŒrde ich sagen, dass man heute als Kommunist gezwungen ist, eben genau diese Kritik zu ĂŒben. Man kann am Kommunismus als Bekenntnis festhalten, aber das Einstehen fĂŒr Israel ist gerade die kommunistische TĂ€tigkeit schlechthin. Ich habe aber zurĂŒckgewiesen, dass die AfD ein direktes Resultat der Wiedervereinigung ist. Die PhĂ€nomene 1992–1994 sind nicht identisch mit dem PhĂ€nomen der AfD.

DzW: Ich habe in den letzten 30 Jahren nicht Tag und Nacht an der antideutschen Politik gearbeitet. Ich will das auch niemandem empfehlen, weil es nicht wirklich antideutsch wÀre.

JS: Ich fand es auch schade, dass Justus gegangen ist. Es wird zum Teil auch an einer Aussage von mir gelegen haben, die ein bisschen zu scharf war, wobei ich schon ĂŒberrascht bin, wie empfindlich er reagiert hat. Ich möchte niemanden auf eine direkte Art und Weise dazu animieren, Kommunist zu sein. Aber ich möchte Fragen in den Raum stellen, die damit zusammenhĂ€ngen, weil es offenbar ein PhĂ€nomen ist und weitere Generationen sich damit beschĂ€ftigen. |P


1. Abraham M. Rosenthal, „FĂŒr eine internationale Offensive gegen den Nazismus“, Konkret 01/91, 24.

2. Ebd.

3. Ebd.

4. Manfred Dahlmann, „Vorwort zur Neuauflage: Was heißt antideutsch?“, in Joachim Bruhn, Was Deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation (Freiburg: ça ira, 2019), 10.

5. Jan-Georg Gerber, „Die Antideutschen. Ein Nachruf“, Bahamas 94 (FrĂŒhjahr 2024): 72.

6. Antinationale Gruppe Bremen (ANG), „Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland? Konferenz zum Stand der Kritik“, online abrufbar unter: https://conne-island.de/nf/181/27.html [zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2024].

7. Kongressvorbereitungsgruppe (Hrsg.), Die radikale Linke. Reader zum Kongress vom 1. - 3. Juni 1990 in Köln (Hamburg, 1990), 193.

8. Vgl. https://www.instagram.com/p/C-FY9yLKTFu/?hl=de [zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2024].

9. ANG, „Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland? Konferenz zum Stand der Kritik“.

10. Clemens Nachtmann, „Die demokratisierte Volksgemeinschaft als Karneval der Kulturen. Von der Verallgemeinerung des Postnazismus und dem Altern der antideutschen Kritik“, in Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert, Hrsg. Stephan Grigat (Freiburg: ça ira, 2012), 57.

11. Matthias Spekker, „‚ihrem Wesen nach kritisch und revolutionĂ€r‘. Wahrheit in Marx‘ wissenschaftlicher Gesellschaftskritik“, in Wahrheit und Revolution. Studien zur Grundproblematik der Marx’schen Gesellschaftskritik, Hrsg. Matthias Bohlender, Anna-Sophie Schönfelder und Matthias Spekker (Bielefeld: transcript, 2020), 32. Online abrufbar unter: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783839450673/html?lang=de.

12. Clemens Nachtmann, „Wenn der Weltgeist dreimal klingelt. Zur Geschichtsmetaphysik der ‚Krisis‘-Gruppe“, Bahamas 21 (Herbst 1996): 25. Online abrufbar unter: https://redaktion-bahamas.org/hefte/21/Wenn-der-Weltgeist-dreimal-klingelt.html.

13. Wolfgang Pohrt, „Vernunft und Geschichte bei Marx“, in Theorie des Gebrauchswerts. Über die VergĂ€nglichkeit der historischen Voraussetzungen unter denen allein das Kapital Gebrauchswert setzt (Berlin: edition TIAMAT, 2001), 270. Online abrufbar unter: https://archive.org/details/vernunft-und-geschichte-bei-marx/mode/2up.

14. Karl Marx, „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Dritter Band“, in Marx-Engels-Werke, Band 25, Hrsg. Institut fĂŒr Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Berlin: Dietz, 1964), 454. Online abrufbar unter: https://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/mew_band25.pdf.

15. Herbert Marcuse, „Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitĂ€ren Staatsauffassung“, in Kultur und Gesellschaft I (Frankfurt a. Main: Suhrkamp, 1965), 35.

16. Joachim Bruhn, Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation (Freiburg: ça ira, 2019), 170.

17. Vgl. Initiative Sozialistisches Forum (Hrsg.), Das Konzept Materialismus. Pamphlete und Traktate (Freiburg: ça ira, 2009).

18. Clemens Nachtmann, „KrisenbewĂ€ltigung ohne Ende. Über die negative Aufhebung des Kapitals“, in Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert, Hrsg. Stephan Grigat (Freiburg: ça ira, 2012) 156.

19. Vgl. Rainer Rotermundt, Verkehrte Utopien. Nationalsozialismus. Neonazismus. Neue Barbarei (Frankfurt am Main: Neue Kritik, 1980) 102.

20. Vgl. das Heftthema der Bahamas 93 (Winter 2024): https://redaktion-bahamas.org/hefte/93/FĂŒr-Israel-gegen-die-postkoloniale-Konterrevolution.html [zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2024].

21. Vgl. https://t1p.de/8jjna [zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2024].

22. Vgl. Andrew McDonald, „Trump’s VP pick J.D. Vance called U.K. ‘Islamist country’“, Politico, 16. Juli 2024, https://www.politico.eu/article/donald-trump-pick-jd-vance-vice-president-republican-party-uk-islamist-country/ [zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2024).

23. Gerber, „Die Antideutschen. Ein Nachruf“, 72–75.

24. Robert B. Pippin, „Critical Inquiry and Critical Theory: A Short History of Nonbeing“, Critical Inquiry 30/2 (Winter 2004): 427f. Online abrufbar unter: https://www.academia.edu/2223948/Critical_Inquiry_and_Critical_Theory_A_Short_History_of_Nonbeing.

25. Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, „Diskussion ĂŒber Theorie und Praxis“, in Max Horkheimer. Gesammelte Schriften, Band 13 (Frankfurt am Main, Suhrkamp,1988), 46.

26. Initiative Sozialistisches Forum, „Die Vernunft in der Geschichte. 150 Jahre Kommunistisches Manifest“, in Flugschriften gegen Deutschland und andere Scheußlichkeiten (Freiburg: ça ira, 2001), 117–126. Online abrufbar unter: https://www.ca-ira.net/verein/jourfixe/jf-1998-1_vernunft-geschichte/.